Medien, Macht und Appelle
15. Juni 2016Knapp 2000 Journalisten und 60 Veranstaltungen: Unter dem Motto "Medien, Freiheit und Werte" diskutierten beim neunten Global Media Forum (GMF) Medienschaffende aus mehr als 100 Ländern. Am letzten von drei Tagen stand vor allem die Klimapolitik im Mittelpunkt.
Christiana Figueres nahm auf der Abschlussveranstaltung des GMF in Bonn kein Blatt vor den Mund: "Es reicht nicht, wenn Journalisten nur die Nachrichten zusammenfassen - das kann auch ein Smartphone." Ihre Aufgabe sei es, die Ereignisse einzuordnen, sie zu hinterfragen und die Verbindungen herzustellen.
Als ehemalige Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen war Figueres maßgeblich am Gelingen des UN-Klimaabkommens in Paris beteiligt. Demnach verpflichten sich 175 Staaten, die Emissionen von Treibhausgasen weltweit zwischen 2045 und 2060 zu senken. "Dieser Weg muss begleitet werden", sagte Figueres den anwesenden Journalisten.
Der mächtigste gemeinsame Nenner der Menschen, so Figueres, sei das Interesse an Frieden und Stabilität. Gerade deshalb müssten sie mehr auf das Klima achten: "Erderwärmung, Wüstenbildung, Ernährungssicherheit, Flucht und auch Krieg - das hängt alles zusammen. Schauen Sie da genau hin und stellen Sie die Verbindung her!", so ihr Appell an die Medienmacher.
Auch Gesine Schwan, Präsidentin und Mitgründerin der Humboldt Viadrina School of Governance warnte davor, sich auf den Ergebnissen von Paris auszuruhen. Diese Chance zu ergreifen, sei nicht nur Aufgabe der Regierungen, sondern auch die der organisierten Zivilgesellschaft und des privaten Sektors, so die ehemalige Kandidatin auf das Amt der Bundespräsidentin.
Große Themenvielfalt
Auch abseits von Umweltthemen bot das diesjährige GMF ein breites inhaltliches Spektrum: von der Macht der Wirtschaft, dem digitalen Wandel, Gleichberechtigung der Geschlechter bis zu den Krisenherden der Welt. "Für mich waren die Diskussionen rund um die Demokratisierung in der arabischen Welt eine Bereicherung", fasst die Tunesierin Mouna Trabelsi ihre Highlights als Besucherin des GMFs zusammen. "Ich habe mir gerne die Panels zu Migration und zur Rolle der Medien angehört", sagt Gemechu Bekele Lemu aus Äthiopien. Gerade in Ostafrika sei das Thema Flüchtlinge sehr relevant: So haben etwa die Diktatur in Eritrea, die Bürgerkriege in Somalia und Kongo sowie die Konflikte zwischen Südsudan und Sudan Millionen von Menschen zur Flucht getrieben. "Für uns ist es aber nicht einfach, die wahren Probleme zu benennen", klagt Lemu. "Damit treffen wir oft einen Nerv in der Politik, und das ist in nicht immer gewünscht."
Wie in den Vorjahren standen auch die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Fokus. Dass das vielerort keine Selbstverständlichkeit ist, betonte auch Thomas Silberhorn, parlamentarischer Staatssekretär des deutschen Entwicklungsministeriums: "Sechs von sieben Menschen leben in Ländern ohne freie Medien. Das ist ein alarmierendes Hindernis für die globale Entwicklung." Ohne Meinungsvielfalt gingen wichtige Ideen und Perspektiven verloren, die für eine nachhaltige Entwicklung von großer Bedeutung seien.
Auszeichnungen für Medienschaffende
Persönlichkeiten, die gegen Widerstände für die Meinungsfreiheit kämpfen, zeichnet die die Deutschen Welle im Rahmen des GMF mit dem Freedom of Speech Award aus. Der diesjährige Preisträger Sedat Ergin, Chefredakteur der türkischen Zeitung Hürriyet, erklärte, er habe zwiespältige Gefühle angesichts der Auszeichnung: "Denn indem man eine Person auszeichnet, hebt man zugleich den prekären Zustand der Pressefreiheit hervor."
Mit den Bobs Awards ehrt die Deutsche Welle besonders mutige und kreative Online-Journalisten. So ging der Preis im Bereich Bürgerjournalismus an den Blogger Nastiker Dharmakata aus Bangladesch, wo in den letzten Monaten mehrere seiner Kollegen - zum Teil bestialisch - ermordet wurden. Mit einer Dokumentation macht er auf die lebensgefährliche Situation von Regimekritikern in seinem Land aufmerksam.
Kritik an Europäischen Medien übte der ehemalige TV-Moderator und Satiriker Bassem Youssef: Die Regierungen sollten die eigenen Werte hochhalten und die Zusammenarbeit mit nicht demokratischen Regierungen überdenken. "Die Unterstützung Europas ist auch ein Grund, weshalb viele Diktatoren weiter an der Macht bleiben", sagte Youssef am Dienstagabend. Die hiesigen Medien, meint Youssef, würden dies nicht ausreichend thematisieren.
DW-Intendant Peter Limbourg griff die Kritik bei der Abschlussveranstaltung des GMF auf: Europa halte sich manchmal nicht an die eigenen Werte, räumte Limbourg ein: "Wir verschmutzen die Umwelt und arbeiten mit korrupten Regimen zusammen. Aber das soll unsere Werte nicht in Frage stellen, sondern eine Erinnerung sein, sie nicht nur zu predigen, sondern sie auch umzusetzen."
Der Schwerpunkt des kommenden zehnten GMF steht noch nicht fest. Laut GMF-Direktor Patrick Leusch ist es möglich, dass dort ein völlig neues Konferenz-Konzept ausprobiert wird.