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Ein glückloser Minister

Marcel Fürstenau10. Juni 2015

Angela Merkels politische Allzweckwaffe, Innenminister de Maizière, ist unfreiwillig ein besonders gefragter Mann: als Stammgast in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Dabei holt ihn oft seine Vergangenheit ein.

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Deutschland Einweihung Neubau Bundesinnenministerium
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Am Dienstag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Artikelbild) einen schönen Pflichttermin - das kommt in letzter Zeit eher selten vor. Der Christdemokrat durfte den Neubau seines Ministeriums vis-à-vis vom Berliner Hauptbahnhof einweihen. Mit diesem Akt schloss sich für ihn ein Kreis, denn im Dezember 2010 war es ebenfalls de Maizière gewesen, der den ersten Spatenstich für das Gebäude setzte. Dieses Ritual fiel in seine erste Amtszeit als Innenminister. Wenige Monate später fand sich notgedrungen eine andere Verwendung für den Sohn des früheren Generalinspekteurs der Bundeswehr, Ulrich de Maizière. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommandierte ihren Mann für alle Fälle ins Verteidigungsministerium ab. Dort war durch die Demission des glamourösen Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CSU) eine Leerstelle entstanden. Auslöser war dessen unredlich erworbener und deshalb aberkannter Doktor-Titel.

Nachfolger de Maizière fühlte sich anfangs ziemlich wohl im Befehlsstand des neuen Amtes. Schließlich führte er auf dem militärischen Feld eine ruhmreiche Familientradition fort. Das Glück war allerdings nur von kurzer Dauer. Denn Anfang 2013 geriet der Verteidigungsminister wegen der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" in die Defensive. Das unbemannte Flugobjekt entpuppte sich als zu teuer und wegen Sicherheitsbedenken gab es gravierende Probleme mit der Flugerlaubnis. Im Frühjahr 2013 legte de Maizière das Projekt schweren Herzens auf Eis. Und wegen der vielen Ungereimtheiten fand er sich bald in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur flugunfähigen Drohne wieder. Sein Ministerstuhl wackelte bedenklich, fiel aber nicht.

Die Tücken des Sturmgewehrs "G 36"

Es folgte die Bundestagswahl im Herbst 2013, aus der de Maizières CDU siegreich hervorging. Die anschließenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD mündeten für ihn jedoch in einer persönlichen Niederlage. Denn er musste seinen Posten im Verteidigungsministerium zugunsten seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen räumen - und kehrte ins Innenministerium zurück. Dort wartete auf den kampferprobten Mann eine Mission, die er schon seit seiner ersten Amtszeit in dieser Behörde kannte: die Vorratsdatenspeicherung als vermeintliche Wunderwaffe im Anti-Terror-Kampf. Gegenüber dem früheren Koalitionspartner FDP zog de Maizière den Kürzeren. Die zweite Attacke, dieses Mal gegen die Sozialdemokraten, war von Erfolg gekrönt: Justizminister Heiko Maas (SPD) kapitulierte Ende Mai und legte einen neuen Gesetzentwurf vor.

Innenminister de Maizière in blickt sich um
Blick zurück: Inneminister de Maizière wird die Vergangenheit einfach nicht losBild: picture-alliance/dpa/Gambarini

Die Freude über den politischen Etappensieg wich allerdings schnell neuen Sorgen. Und die haben mit seiner Vergangenheit als Verteidigungsminister zu tun. Seit März 2012 soll de Maizière von Problemen des Sturmgewehrs "G 36" gewusst haben. Trotzdem wurde die Waffe von deutschen Soldaten weiter eingesetzt, unter anderem im Afghanistan-Krieg. Am Mittwoch musste de Maizière im Verteidigungsausschuss Fragen zu diesem Thema beantworten. Seine Nachfolgerin von der Leyen lässt die 167.000 Exemplare inzwischen auf ihre Tauglichkeit überprüfen. Am Ende werden sie nachgerüstet oder aus dem Verkehr gezogen. So oder so - an de Maizière haftet der Makel mangelnder Entschlussfreudigkeit.

Schon bald muss de Maizière in den NSA-Untersuchungsausschuss

Einen Vorwurf kann man dem 61-Jährigen aber nicht machen: dass er versucht, unbequemen Fragen des Parlaments auszuweichen. Denn kaum hatte er den Verteidigungsausschuss verlassen, warteten die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur Kinderporno-Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy auf de Maizière. Das Gremium will herausbekommen, ob der ehemalige Abgeordneten-Kollege vor strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde. Im Verdacht steht unter anderem der inzwischen pensionierte Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke. Dessen Dienstherr innerhalb der Bundesregierung war Innenminister de Maizière, der die politische Fachaufsicht über das BKA hat.

Fragen über Fragen, hier nach einer Sitzung des Parlamenarischen Geheimdienst-Kontrollgremiums
Fragen über Fragen: Hier nach einer Sitzung des Parlamenarischen Geheimdienst-KontrollgremiumsBild: picture-alliance/dpa/von Jutrczenka

Die nächste Prüfung steht bevor. Am Donnerstag kommender Woche ist de Maizière als Zeuge im brisantesten Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen: dem zur NSA/BND-Affäre. Wieder holt ihn seine Vergangenheit ein. Als Chef des Kanzleramtes von 2005 bis 2009 trug de Maizière die Verantwortung für die höchstumstrittene Geheimdienst-Kooperation. Der BND soll Medienberichten zufolge den US-Partnern beim Ausspähen europäischer Unternehmen und politischer Organisationen geholfen haben. Kritische Fragen sind also garantiert, es könnte richtig unbequem werden für de Maizière.

Das neue Ministerium ist die kleinste Baustelle

Auf den nächsten erfreulichen Termin wird der arg gebeutelte Minister wahrscheinlich noch eine Weile warten müssen. Selbst bei der Einweihung des neuen Dienstgebäudes zu Wochenbeginn hagelte es Kritik. Grund waren Probleme mit der Klimatisierung des Gebäudes und die monoton anmutende Fassade. Von "Schießscharten" war angesichts der endlosen schmalen Fensterreihen die Rede. Hausherr de Maizière wollte sich die Freude über seinen neuen Arbeitsplatz aber nicht vermiesen lassen. "Funktionell und schön" findet er den. Bei der Beseitigung der Mängel sei man geduldig, erwarte aber, "dass dies nach und nach wirklich geschieht". Und eines ist sicher: Politisch plagen de Maizière derzeit wesentlich größere Probleme.