Global Media Forum: Medien kämpfen um Glaubwürdigkeit
17. Juni 2024"Selbst in dunklen Zeiten ist Optimismus der bessere Weg, weil Pessimisten meist nicht zu Lösungen beitragen." Das sagt DW-Intendant Peter Limbourg zur Eröffnung des diesjährigen Global Media Forum (GMF) der Deutschen Welle, zu dem mehr als tausend Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt nach Bonn gekommen sind.
Dunkel sind die Zeiten tatsächlich: Kriege wüten beispielsweise in der Ukraine, dem Nahen Osten und im Sudan, autoritäre Regime scheinen weltweit auf dem Vormarsch, die Demokratie dagegen auf dem Rückzug. Und mit der Demokratie werden Presse- und Meinungsfreiheit zurückgedrängt.
KI-erzeugte Pornobilder
"Sharing solutions" - "Lösungen teilen", das ist das Motto des diesjährigen GMF. Es geht um Fragen wie diese: Wie können Journalisten trotz Gefahren und wachsendem Druck ihrem Auftrag gerecht werden? Wie erreichen sie möglichst viele Menschen in ihren jeweiligen Gesellschaften? Wie beeinflussen technische Entwicklungen Medien und Medienkonsum? "Nicht nur die digitale Welt verändert den Journalismus, künstliche Intelligenz wird ihn noch mehr durcheinanderwirbeln", so DW-Intendant Peter Limbourg.
Die Missbrauchsmöglichkeiten der KI sind groß - etwa täuschend echt aussehende gefälschte Bilder und imitierte Stimmen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock berichtet in ihrer Keynote Speech von Deep Fakes, die sie als Prostituierte darstellen: "KI macht Desinformation billiger, einfacher und wirkungsvoller."
Ähnliche Erfahrungen hat die von den Philippinen stammende Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa gemacht. Mit ihrem Online-Nachrichtenportal "Rappler" eckt sie bei den Mächtigen in ihrem Land immer wieder an - und bekommt das auch zu spüren. Sie berichtet von obszönen Deep-Fake-Bildern von ihr im Netz. Für die Reise nach Bonn musste sie bei der Regierung um Erlaubnis nachsuchen.
Menschen eine Stimme geben
Andere Schwerpunkte am ersten Tag des GMF sind die Wahlberichterstattung in diesem globalen Superwahljahr 2024 und der Zusammenhang zwischen Demokratie und Medien.
Hört man den Teilnehmenden der verschiedenen Diskussionsrunden zu, ergibt sich ein überwiegend negatives Bild: Einerseits ermöglichen es Social Media, von Regierungen dominierte oder gesteuerte Medien zu umgehen, vor allem staatlich gelenkte Rundfunksender. So können sich viele Menschen unabhängig informieren und sich auch selbst zu Wort melden. Andererseits machen sich überall Misstrauen gegenüber Medien und auch ein Überdruss an Informationen breit.
Auch die Wahlbeteiligung geht in vielen Ländern zurück. Medienschaffende müssen den direkten Kontakt zu den Menschen mit ihren Alltagsproblemen herstellen, das ist die zentrale Botschaft in den Debatten.
Ellen Heinrichs, Geschäftsführerin des Bonn Institutes, das sich für konstruktiven Journalismus einsetzt, sagt zu der Tatsache, dass viele die Nase voll haben von schlechten Nachrichten: "Die Menschen sind überwältigt." Allzu oft sei Journalismus nur das, was Politiker sagen. "Wir brauchen eine Diversität der Perspektiven." Dabei blende konstruktiver Journalismus die Probleme keineswegs aus, biete aber eben auch Lösungen an.
Faktenchecker - so betont Anant Goenka, Direktor des Zeitungsverlags "The Indian Express" - beschäftige inzwischen fast jede Redaktion. Sie seien aber nichts Neues. Das Prüfen von Fakten sei schon immer eine Selbstverständlichkeit jedes seriösen Mediums gewesen und Grundlage für mediale Glaubwürdigkeit, die wichtigste Währung des Journalismus.
Adriano Nuvunga ist Leiter des Centro Para Democracia e Direitos Humanos in Mosambik. Er sieht zwar eine Demokratisierung in vielen Ländern Afrikas, aber: "Regierungen hören den Menschen nicht zu, sie vertreten nicht die Interessen der Menschen." Die bekämen so den Eindruck, dass Demokratie ihnen nichts zu bieten habe. Aufgabe des Journalismus sei es darum, diesen Menschen eine Stimme zu geben.
"Arbeiten Sie weiter!"
Zurück zum Thema künstliche Intelligenz. DW-Intendant Peter Limbourg rät dazu, KI als Werkzeug zu nutzen, nicht als Ersatz für menschengemachten Journalismus. "KI kann unterstützen, aber wichtige journalistische Entscheidungen müssen immer von Menschen getroffen werden."
Leidenschaftlich fordert die Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa eine internationale Kontrolle von KI und den hinter ihr stehenden großen Konzernen. Man habe nicht mehr viel Zeit: "Das Fenster zum Handeln ist dabei, sich zu schließen, aber noch ist es offen."
Damit rennt sie bei Außenministerin Annalena Baerbock offene Türen ein: "Wir treten für eine internationale Regulierung von KI ein. Wir müssen KI so gestalten, dass Menschen die Kontrolle behalten", sagt Baerbock. Das geschehe auf europäischer Ebene auch. Aber für Gesetze brauche man erst einmal Mehrheiten, entgegnet sie denen, denen das Ganze zu langsam geht.
Aber es gehe eigentlich um eine noch größere Frage als KI und Medien, so Baerbock: "Wie machen wir unsere Gesellschaften widerstandsfähiger?" Unabhängiger Journalismus sei ein Eckstein jedes demokratischen Systems. Es gehe darum, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen - das gilt damit auch für sie selbst.
Angesichts der großen, globalen Probleme taucht beim GMF irgendwann die Frage auf, was Medienschaffende denn konkret tun können, um undemokratischen Entwicklungen entgegenzutreten. Unter donnerndem Applaus darauf Maria Ressa, die bedrängte Journalistin von den Philippinen: "Ganz einfach, arbeiten Sie weiter!"