Gleichberechtigung im Fußball: Utopie oder Zukunft?
21. März 2019Die Suche nach den Gründen für die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Fußball erfordert auch den Blick über den Platz hinaus. Eine Plattform, die Fußballerinnen zu mehr Anerkennung verhelfen kann, ist der Film. Anlässlich der Frauen-Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Frankreich widmet das Filmfestival 11mm in Berlin dem Thema Frauen im Fußball eine eigene Schwerpunktreihe.
Der Kampf um Gleichberechtigung spielt in den Filmen eine entscheidende Rolle - auch weil das Thema Frauenfußball so aktuell ist: die kommende Frauen-WM, das Rekordspiel am vergangenen Sonntag zwischen den Frauenteams von Atletico Madrid und dem FC Barcelona, das mit 60.000 Fans so gut besucht war wie kein Frauenfußballspiel jemals zuvor, und nicht zuletzt die Klage der 28 Nationalspielerinnen der USA gegen ihren eigenen Fußballverband wegen jahrelanger finanzieller Diskriminierung.
1969 war Fußballspielen in Frankreich für Frauen verboten
Der Respekt gegenüber dem Frauenfußball scheint größer geworden zu sein. Doch sind dies nur kleine Schritte? Oder ist eine grundlegende Veränderung im Gange? Um diese Frage beantworten zu können, sprechen wir mit den beiden deutschen Nationalspielerinnen Johanna Elsig und Lisa Schmitz, die wir bei einer Vorführung des Films "Let the Girls Play" in Berlin treffen.
Der Film spielt - nach einer wahren Geschichte - im Jahr 1969 im französischen Reims, und handelt von einem Sportjournalisten, der eines Tages gemeinsam mit seiner Sekretärin auf die für die damalige Zeit fast schon absurde Idee kommt, ein Frauenfußballspiel zu organisieren. Das Projekt wächst schnell und stellt die französische Fußballwelt auf den Kopf. Denn im Frankreich des Jahres 1969 ist Fußballspielen für Frauen noch verboten.
Keine Hollywood-Klischees
Das 11mm-Festival zeigt darüber hinaus noch zehn weitere Filme, die sich mit dem Thema Frauen im Fußball beschäftigen. Die Filme unterscheiden sich von typischen Hollywood-Filmen, die nicht selten Klischees bedienen mit der Botschaft: Jeder, der hart arbeitet, entschlossen bleibt und sich an die Regeln hält, wird auch Erfolg haben. Die Filme beim 11mm-Festival verweisen stattdessen auf die unterschiedlichen sozioökonomischen, politischen und kulturellen Hürden, mit denen Frauen auf der ganzen Welt immer noch konfrontiert sind, wenn sie für ihre Rechte im Fußball kämpfen.
Laut der Studie "Global Sports Salary Survey", einer weltweiten Erhebung der Bezahlung im Sport, gibt es für Frauen nicht nur weitaus weniger Möglichkeiten, vom Profisport zu leben. Sie verdienen zudem im Schnitt auch nur ein Hundertstel der Summen, die ihre männlichen Kollegen einstreichen.
Für den Fall der Fälle vorsorgen
Nationalspielerin Johanna Elsig ist glücklich, dass sie mit ihrer Fußball-Leidenschaft ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. "Du kannst mit Fußball Geld verdienen und es als Job bestreiten. Das wäre in den 1970er oder 80er Jahren noch nicht möglich gewesen", sagte die Verteidigerin der DW. Ihr ist jedoch bewusst, dass ihre Berufswahl möglicherweise nur vorläufig ist. "Ich denke, es ist schwer, doppelt Karriere zu machen. Wenn man seine Fußballkarriere beendet, muss man etwas anderes tun. Man muss zur Universität gehen, um danach einen Job zu haben."
Von einer wirtschaftlichen Gleichbehandlung der Geschlechter könne keine Rede sein. "Wenn du ein Mann bist, in der ersten Liga gespielt hast und dich dann mit 25 Jahren verletzt, hast du einfach mehr Geld in der Hinterhand, von dem du leben kannst", sagte Elsig. "Als Frau solltest du besser ein paar Ersparnisse beiseitelegen, für den Fall, das etwas passiert."
Vergütung umsatzabhängig?
Häufig werden die Lohnunterschiede im Fußball damit erklärt, dass sich deutlich mehr Zuschauer für Männerfußball interessieren, deshalb auch mehr Geld eingenommen wird und auch die Sponsoren eher darauf anspringen. Das klingt auf den ersten Blick logisch, das Ausmaß der Ungleichheit ist es aber nicht.
So verteilt die UEFA 99,8 Prozent des Champions-League-Einnahmen an den Wettbewerb der Männer, für die Frauen bleibt nur der klägliche Rest von 0,2 Prozent. Das belegt eine Statistik aus dem Jahr 2017, die als Einstieg in den schwedischen Dokumentarfilm "Football for Better or Worse" verwendet wurde. Der Film zeigt den finanziellen Überlebenskampf des schwedischen Frauenfußball-Rekordmeisters FC Rosengard aus Malmö. Der Protagonist der Dokumentation, der neue Sportdirektor des Clubs, erklärt in der Eröffnungsszene: "Männerfußball generiert mehr Geld, und es ist richtig, dass sie mehr bekommen. Aber die Lücke, wie sie jetzt ist, ist einfach nicht nachvollziehbar."
Vorreiter Norwegen
Die Klage des US-Frauenteams wegen ungleicher Bezahlung gegenüber den Männern sorgte weltweit für Schlagzeilen. Nationaltorhüterin Lisa Schmitz ist skeptisch, dass sich Ähnliches auch in Deutschland ereignen könnte. Sie glaube nicht, dass die Forderung nach gleichen Löhnen für Fußballerinnen hierzulande toleriert werde, sagte Schmitz der DW. "Ich hoffe, dass der DFB den ersten Schritt macht und auf die Frauen in Sachen Bezahlung zugeht, sodass wir den Verband nicht verklagen müssen."
Andere Länder sind schon einen Schritt weiter. Im Oktober 2017 glich Norwegen als erstes Land die Bezahlung von Nationalspielerinnen und -spielern an. Der DFB zeigt derzeit keine Bereitschaft, dem Beispiel der Skandinavier zu folgen.
Während manche noch immer die Gleichstellung der Geschlechter im Fußball für ein utopisches Konzept halten, ist es für immer mehr Menschen die Zukunft schlechthin. Nötig wären dafür allerdings höhere Investitionen in den Frauenfußball und veränderte, weiblich geprägte Strukturen, um den Wandel zu fördern. Die Fortschritte der letzten Monate könnten erst der Anfang sein.
"Kick-Off!", die Bundesliga-Sendung der DW, ist langjähriger Partner des 11mm-Fußballfilmfestivals, das alljährlich im Berliner Kino Babylon stattfindet. Die diesjährige Auflage dauert noch bis zum 25. März. An diesem Freitag, dem 22. März, werden bei dem Festival drei DW-Produktionen gezeigt. Einen vollständigen Zeitplan finden Sie im Internet unter 11-mm.de.