Gisela May: Brecht-Star und Grande Dame des Chanson
Ob beim Singen von Chansons oder als "Mutter Courage" auf der Bühne des Berliner Ensembles - wo Gisela May auftrat, schaffte sie es, ihr Publikum zu begeistern. Nun ist sie im Alter von 92 Jahren gestorben.
Sie wollte die Gesellschaft verändern
May hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt, sie habe in Bombenkellern gesessen und ihre Mutter um den im Krieg "vermissten" Sohn weinen hören. Das habe ihre politische Haltung und die ungetrübte Hoffnung in die DDR ein Leben lang geprägt. Im DW-Interview sagte sie: "Wir glaubten einfach, eine Alternative zu finden zu einem Kapitalismus, von dem wir glaubten, dass dieser immer Kriege auslöst."
Chansonsängerin & sozialistische Nachtigall
May bekannte sich klar zum Sozialismus und der DDR. Dort wurde sie als "Botschafterin des Chansons" bekannt. Im Westen machte eher der Begriff der "sozialistischen Nachtigall" die Runde. Im DW-Interview betonte sie 1994, sie habe die Teilung Deutschlands durch den Bau der Mauer stets als "schlimme Notwendigkeit" empfunden. Das Foto zeigt May im Studentenkeller "Zur Rosen" in Jena.
Die First Lady des politischen Songs
Ihren ersten Brecht-Abend feierte Gisela May 1959 am Piccolo Teatro in Mailand. Ein Auftritt, der ihr Leben prägen sollte. Als Interpretin von Liedern von Bertolt Brecht und Kurt Weill wurde May international berühmt, tourte durch Europa, die USA, Kanada und Australien. Mit Texten von Kurt Tucholsky und Erich Kästner sang sich May zur First Lady des politischen Songs.
Von "Mutter Courage" bis "Hello, Dolly"
Ihre wichtigste Bühnenrolle war die "Mutter Courage" in Bertolt Brechts gleichnamigem Stück. Neben klassischen Schauspielrollen übernahm May oft auch Engagements bei rein unterhaltsamen Produktionen. Beispielsweise brillierte sie in den 1970er Jahren im Ost-Berliner Metropoltheater, dem heutigen Admiralspalast, als Hauptdarstellerin im Musical "Hello, Dolly!".
"Ist recht, Muddi."
Erfolge vor der Kamera verbuchte May vor allem nach der Wiedervereinigung. Populär wurde sie mit der über 14 Jahre im deutschen TV ausgestrahlten Krimiserie "Adelheid und ihre Mörder", in der May die Mutter der Hauptfigur spielte. Kultcharakter erreichte ein Dauerdialog zwischen Tochter Adelheid (gespielt von Evelyn Hamann) und ihr: "Sag doch nicht immer Muddi zu mir!" - "Ist recht, Muddi."