Gewalt gegen die Frau im Kosovo
24. Juni 2010"Ich bin nicht in der Lage, an diese Momente zurückzudenken. Besonders der Moment, als ich die Kinder weinend zurückließ, war sehr schwer. Aber als ich mich entschied, mich von meinem Mann zu trennen, schlug er mich so stark, dass ich weder gehen, noch stehen konnte. Ich floh zu meiner Familie, um zu mir zu kommen. Nein, ich kann nicht behaupten, dass er psychisch krank ist. Er ist normal, ich weiß es aber nicht."
Die junge Frau, die schluchzend aus ihrem Leben erzählt, möchte anonym bleiben. Sie lebt mittlerweile in einem Frauenhaus. Ihre Ehe habe sich nach 13 Jahren in einen kontinuierlichen Albtraum verwandelt, erzählt sie. Das zweistöckige Gebäude im Schatten der Fichten ist nun ihre vorübergehende Bleibe. Ein solches Schicksal teilen hier fast alle Frauen.
Opfer fassen Mut
Drita Krasniqi, Koordinatorin in diesem Frauenhaus, kann der Situation trotzdem zumindest etwas Gutes abgewinnen: "44 Opfer von Gewalt und Menschenhandel haben in diesem Quartal Strafanzeige gestellt. Das ist das Dreifache im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr und Ausdruck eines erhöhten Bewusstseins der Opfer, die Gewalt anzuprangern", so Krasniqi. "Da dieses Haus von der Öffentlichkeit abgeschirmt ist, bieten wir verschiedene Aktivitäten an, damit die Opfer sich nicht isoliert fühlen", erzählt sie. Es gebe psychologische Betreuung, individuell und in Gruppen, Lese- und Handarbeitskreise, Beratungen oder auch EDV-Schulungen. "Je nach Veranlagung der Opfer und unter Rücksichtnahme ihres Willens", so Krasniqi.
Im Kosovo sind insgesamt sieben Frauenhäuser für Frauen und Kinder errichtet worden, die Opfer von Gewalt und Menschenhandel waren. Zwei befinden sich in Pristina und je eins in Gilan, Prizren, Djakovo, Pec und Mitrovica. Aber für die Lösung der Probleme der Opfer gibt es bei allen Anlaufstellen nach Meinung Krasniqis meistens nur zwei Möglichkeiten: "Die erste Option ist die Rückkehr zum Ehegatten. Dies ist sehr schmerzlich, weil das Opfer in die Umgebung zurück muss, wo sie Gewalt erfahren hat. Die andere Option ist die Rückkehr zu den Eltern. In vielen Fällen ist das auch sehr schwierig, weil die Familie das Opfer aber nicht auch seine Kinder akzeptiert." In den meisten Fällen sei das Opfer gezwungen, die erste Option zu wählen".
Laut einem Bericht des U.S. Department of State ist der Kosovo sowohl Herkunfts- und Transitland als auch Zielort für Menschenhandel mit Frauen und Kindern.
Gefahr für Opfer besteht fort
Laut der Abteilung zum Kampf gegen organisierte Kriminalität der Kosovo-Polizei hat es im Zeitraum zwischen Januar und Mai 2010 18 Opfer gegeben, die in Frauenhäusern betreut und wieder entlassen worden sind. Die meisten dieser Opfer sind Frauen aus dem Kosovo und Albanien.
Trotz der Bemühungen der Institutionen bleibe die Gefahr für die Opfer aber bestehen, denn die mutmaßlichen Täter seien weiter auf freiem Fuß, so eine der Frauen. "Bevor ich in dieses Frauenhaus kam, ging ich zur Polizei und erzählte, dass mein Mann drohe, mich umzubringen. Die sagten mir: 'Komm schon, wenn er dich umbringen wollte, hätte er es längst getan.'"
Die Behörde der Vereinigten Staaten für Internationale Entwicklung (USAID) hat nun zum zweiten Mal nacheinander etwa 180.000 US-Dollar für den Kampf gegen die Gewalt zur Verfügung gestellt. Das Programm gegen den Menschenhandel im Kosovo startete im September 2008 und wird von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) umgesetzt. Drei lokale NGOs leisten Unterstützung bei der Betreuung der Opfer.
Das dreijährige Programm gegen den Menschenhandel soll die Wiedereingliederung der Opfer von Menschenhandel unterstützen und die Teilnahmebereitschaft der Gesellschaft zur Vorbeugung der Gewalt und des Menschenhandels erhöhen.
Autorinnen: Ajete Beqiraj / Angelina Verbica
Redaktion: Mirjana Dikic / Mareike Röwekamp