Gestörte Lieferketten bremsen Unternehmen
2. August 202164 Prozent der vom Münchner Ifo-Institut befragten Unternehmen beklagen Engpässe und Probleme bei Vorlieferungen als Hindernis für ihre Produktion. Bereits im Vorquartal hätten die Unternehmen einen Rekordwert gemeldet, der nun deutlich übertroffen worden sei, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe am Montag in München. "Das könnte zu einer Gefahr für den Aufschwung werden."
Derzeit bedienten die Hersteller die Nachfrage noch aus ihren Lagern, die sich aber zusehends leerten, sagte Wohlrabe. "Problematisch sind auch die teilweise stark gestiegenen Einkaufspreise." 83 Prozent der Autohersteller und -zulieferer und 84 Prozent der Hersteller elektrischer Ausrüstungen spürten die Knappheit bei Halbleitern und Chips. Die stark gestiegenen Preise für Kunststoff-Granulate machten den Herstellern von Gummi- und Kunststoffwaren deutlich zu schaffen (79 Prozent). Bei den Herstellern elektronischer Geräte beklagten 72 Prozent Materialmangel. Das Ifo-Institut hatte im Juli rund 2700 Industrieunternehmen befragt.
Maschinenbauer halten an Wachstumsprognose fest
Im Maschinenbau seien insbesondere Elektrobauteile und Stahl knapp, erklärte der Branchenverband VDMA in Berlin. Der Materialmangel treffe die Teilbranchen zwar unterschiedlich hart. "Betroffen sind jedoch alle", erklärte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers. "Bereits 70 Prozent der Unternehmen im Maschinenbau sehen ihre Produktion durch einen Materialmangel deutlich erschwert", so Wiechers weiter. Das sei der höchste Wert seit Veröffentlichung des gesamtdeutschen Indikators.
Zudem setzten wieder steigende Infektionszahlen in vielen für den Maschinenbau wichtigen Märkten die Lieferketten unter Druck. Trotz der Probleme geht der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) weiter davon aus, dass die exportorientierte deutsche Schlüsselindustrie die Produktion in diesem Jahr um zehn Prozent steigert. Die Auftragsbücher haben sich nach dem Corona-Jahr 2020 kräftig gefüllt. Die Auslastung der Kapazitäten lag im Juli bei 88,3 Prozent und damit deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 85,9 Prozent.
Wachstumstempo beschleunigt
Auch insgesamt hat die deutsche Industrie ihr Wachstum zu Beginn der zweiten Jahreshälfte trotz anhaltender Lieferengpässe beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex legte im Juli um 0,8 auf 65,9 Punkte zu, wie das Institut IHS Markit am Montag zu seiner monatlichen Umfrage unter Hunderten Unternehmen mitteilte. Das ist der drittbeste Wert seit Beginn der Umfrage 1996. Das Barometer signalisiert ab 50 ein Wachstum. "Stärkere Zuwächse beim Auftragseingang und bei der Beschäftigung beflügelten die Industrie", sagte Markit-Ökonom Trevor Balchin.
Es gebe Anzeichen dafür, "dass der Höhepunkt der Lieferengpässe hinter uns liegt, denn die Verzögerungen fielen so niedrig aus wie seit fünf Monaten nicht mehr."
Auch in der Eurozone läuft es für die Industrie gut. Zwar fiel der Einkaufsmanagerindex im Juli um 0,6 um auf 62,8 Punkte. Das Barometer hielt sich aber klar über der Wachstumsschwelle von 50. "Die Tatsache, dass sich das Wachstum nach dem Rekord im zweiten Quartal 2021 leicht abgekühlt hat, sollte an sich noch kein Grund zur Sorge sein", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Neuaufträge würden die Produktion in einem Ausmaß übersteigen, wie es in der 24-jährigen Umfragegeschichte noch nie vorgekommen sei. "Die Indikatoren für Kapazitätsengpässe leuchten weiterhin rot", sagte Williamson.
hb/bea (dpa,rtr,afp)