Geschwächte Interessensvertreter
14. Juli 2003Der Fall IG Metall zeigt: Es geht neben dem Machtkampf an der Führungs-Spitze auch um die künftige Ausrichtung der Interessenvertretung in Deutschland. Die Zeiten, in denen die Gewerkschaften für ihre Mitglieder üppige Tariferhöhungen erstreiten konnten, sind auf jeden Fall Geschichte. Vielmehr geht es darum, den Sozialstaat unter den veränderten Rahmenbedingungen zu erhalten. "Das ist kein Betriebsunfall: Wenn eine so große Gewerkschaft einen Streik anberaumt, und ihn abbrechen muss, ist das eigentlich katastrophal", sagt der Gewerkschaftsexperte Horst-Udo Niedenhoff vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft.
Geradezu katastrophal ist der Mitglieder-Rückgang in den deutschen Einzel-Gewerkschaften in den vergangenen Jahren. Von über elf Millionen nach der Wende Anfang der 1990er-Jahre ging es steil bergab auf nun gut achteinhalb Millionen Mitglieder. Der Abbruch des Streiks in Ostdeutschland zeigt zudem, dass die Instrumentarien der Gewerkschaft offensichtlich nicht angemessen sind, um ihre Ziele durchzusetzen.
Lähmender Richtungskampf
"Sie ist auf jeden Fall im Augenblick nicht in der Lage, mit der Macht vorzugehen, wie sie eine solche Organisation haben müsste, um Tarifträgerverband zu sein", erläutert Niedenhoff und fügt hinzu: "Sie ist geschwächt, sie ist nicht nur durch den Streik geschwächt, sondern sie ist auch dadurch geschwächt, dass die Kämpfe zwischen den beiden Richtungen - den Konservativen und den Erneuerer - so stark ist, dass sie sich gegenseitig lähmen."
Der Richtungsstreit wird vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Entwicklung ausgefochten: Weg von der übermächtigen Einheits-Gewerkschaft mit Funktionärs-Apparat - hin zu kleinen, schlagkräftigen Einheiten der Interessenvertretung in den Betrieben, wie Niedenhoff meint: "Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger, die ist jetzt über zehn Jahre alt, und hat über 10.000 Betriebsräte in ihren Reihen. Das heißt, dieser Verband ist in den Betriebsräten vertreten, dort, wo die Politik gemacht wird."
Ungelöste Machtfrage
Die Machtfrage stellt sich auch dem DGB, der als Dachverband jedoch von den beiden größten Einzelgewerkschaften IG Metall und Ver.di dominiert wird. Als Vermittler im Streitfall IG Metall scheidet der DGB deshalb nach Auffassung von Niedenhoff aus. "Wenn der DGB ernst genommen würde von den Mitgliedsverbänden, dann könnte er sowohl eine Integrationsfunktion haben und er könnte die verschiedenen Verbände nach außen repräsentieren. Allerdings hat sich bisher immer herausgestellt, dass der DGB ein 'Papiertiger' ist."