"Alle waren am Limit"
7. August 2016DW: Simon Geschke, ein 241,5 Kilometer langes Radrennen und sie attackieren bereits am ersten Hügel attackiert. War das geplant?
Simon Geschke: Es war der Plan, dass wir etwas probieren und nicht aufs Finale warten. Wir wollten alle größeren Gruppen besetzen. Als ich attackiert habe, waren starke Fahrer dabei. Es hat schon Sinn gemacht, so früh anzugreifen. Aber natürlich hätte ich mir schon gewünscht, dass wir etwas mehr Vorsprung in den finalen Rundkurs mitnehmen würden. Aber leider sind dann mehrere Teams sehr hart hinter uns hergefahren. So wurden wird dann doch recht schnell wieder zurückgeholt. Ich wäre gerne noch länger an der Spitze geblieben, konnte aber immerhin noch meinem Teamkollegen Emmanuel Buchmann (der am Ende 14. wurde, Anm. d. Red.) helfen.
Nach den vielen Stürzen wurde heftig über den Kurs diskutiert. War das eine würdige Strecke für ein Olympisches Rennen?
Ja, schon. Der Kurs war natürlich sehr schwer, aber das war eben auch ein Olympia-Kurs. Trotzdem muss man sagen, dass die Straßen in einem sehr guten Zustand waren und selbst die Kopfsteinpflasterpassage war ok. Das war auch nicht anders als auf den Champs-Elysées bei der Tour de France. Die finale Abfahrt war sehr technisch und im Finale gab es einige Stürze. Aber das lag aus meiner Sicht eher daran, dass die Fahrer alle am Limit waren und da fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Generell muss man sagen, dass die Absperrungen gut waren und die Kurven meist gut einsehbar.
Die Schlüsselstelle war der Anstieg zur Vista Chinesa. Wie hat er sich im Rennen angefühlt?
Der war sehr hart. Er war lang und steil - eine schlechte Kombination. Das war ein Anstieg für ausgewiesene Bergspezialisten. Eigentlich. Denn Greg van Avermaet hat das clever gemacht. Er hat es trotz des schweren Schlussanstiegs geschafft, den reinen Bergfahrern die Butter vom Brot zu nehmen.
Die finale sehr kurvige und dunkle Abfahrt war schließlich rennentscheidend. Hatten Sie sich die genau angeschaut?
Jede Mannschaft ist den Kurs abgefahren und hat sich auch die Abfahrt genau angeschaut. Bei der Tour de France stürzen wir uns durchaus in manche Abfahrten, die wir gar nicht kennen. Aber hier kannte jeder den Kurs genau. Dass es dennoch zu Stürzen kam, liegt an etwas anderem. Im Finale wird volles Risiko gefahren. Es geht schließlich um Olympia-Gold. Wenn der Puls dann am Limit ist, passieren eben so Stürze schneller, als wenn man noch frisch ist. Die Abfahrt war technisch, aber es ist der Fahrer, der das Risiko wählt und das gehört zu diesem Sport dazu.
Viele Fahrer sahen gezeichnet aus, als sie ins Ziel kamen. Wie hart waren heute die Bedingungen?
Es war ein sehr heißer Tag, der heißeste, seitdem wir hier sind. Aber wir waren vorbereitet, hatten Eis im Teamwagen und haben uns zwischendurch abgekühlt. Ich hatte zum Glück keine Krämpfe.
Wie haben Sie die Stimmung entlang der Strecke erlebt?
Gerade an dem langen Berg zur Vista Chinesa war viel los, da war gute Stimmung. Das hat schon Spaß gemacht heute.
Jetzt wartet noch das Zeitfahren auf Sie. Können Sie sich bis dahin von dem harten Rennen erholen?
Ja, ich denke schon. Am liebsten würde ich zwar jetzt hier ins Meer springen, aber ich glaube, wenn ich das tue, komme ich hier nicht mehr vom Strand weg. Jetzt erhole ich mich und konzentriere mich auf das Zeitfahren. Es sind ja noch ein paar Tage Zeit.
Simon Geschke, geboren 1986 in Berlin, kommt aus einer Radsport-Familie. Schon sein Vater, Jürgen Geschke, war Bahnweltmeister. Sohn Simon ist seit 2008 Profi und fährt für das deutsche Giant-Alpecin-Team. Sein größter Erfolg war der Gewinn einer Bergetappe bei der Tour de France 2015.
Das Interview führte Joscha Weber.