Geschätzter Präsident und moralische Instanz
Im Alter von 94 Jahren ist Richard von Weizsäcker gestorben. Als Regierender Bürgermeister von Berlin und vor allen Dingen als deutscher Bundespräsident hat er seine Spuren hinterlassen.
Herausragender Politiker, unbequemer Mahner
Geboren im Stuttgarter Schloss, später zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt und schließlich sechster deutscher Bundespräsident: Richard von Weizsäcker ragte immer aus der Masse heraus. Bis zu seinem Tod bleibt der CDU-Politiker in Deutschland eine wichtige moralische Instanz.
Belastete Familienbande
Sein Vater, Freiherr Ernst von Weizsäcker, war ein wichtiger Diplomat und Regierungsbeamter unter Hitler. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er in einem der NS-Prozesse wegen Kriegsverbrechen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt: er soll an der Deportation von Juden beteiligt gewesen sein. Ein prägendes Ereignis für den jungen Richard von Weizsäcker.
Frühe Berufs- und Politikerjahre
Seine Frau Marianne heiratet Weizsäcker 1953, die beiden bekommen vier Kinder. Nach dem Jurastudium arbeitet er in mehreren großen Unternehmen, unter anderem an der Spitze des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Mitglied der CDU wird er 1954. Helmut Kohl entdeckt ihn für die Politik und schlägt ihn schon 1968 als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl vor - noch vergeblich.
Respektiertes Haupt Berlins
Hoher Besuch schon wenige Monate nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister Berlins: 1982 empfängt er gemeinsam mit Bundeskanzler Helmut Schmidt US-Präsident Ronald Reagan im Park des Charlottenburger Schlosses. In der Innenpolitik setzt er neue Akzente, schafft zum Beispielt das neue Amt eines Ausländerbeauftragten in Berlin.
Politik der Entspannung
Am 15. September 1983 wird er in Ost-Berlin vom Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, begrüßt: Die erste Begegnung eines Regierenden Bürgermeisters von Berlin mit einem DDR-Staatschef - und ein wichtiger Schritt der Annäherung an den anderen deutschen Staat. Wegen seiner Verdienste um die Stadt Berlin wurde er 1990 zum Ehrenbürger ernannt.
Erfolg beim zweiten Anlauf
1974 war er als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten noch chancenlos gewesen: Am 1. Juli 1984 wird er schließlich mit großer Mehrheit ins höchste deutsche Amt gewählt. Schon nach kurzer Zeit gilt er als Idealbesetzung und wird für seine freundliche und noble Art geschätzt.
Befreiungsrede als Höhepunkt
"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung": Mit diesem Satz in seiner Rede beim Gedenktag zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1985 ist er bis heute in Erinnerung geblieben. Er bekommt dafür viel Zustimmung, andere sehen ihn aber auch kritisch. Viele Ostdeutsche wollen das Leben im DDR-Unrechtsregime nicht als Befreiung dargestellt sehen.
Die Welt zu Gast bei Weizsäcker
Aus dem Sohn eines Nazi-Diplomaten wird ein Bundespräsident, der das Ansehen Deutschlands in der Welt mehrt wie kaum ein anderer. 1992 begrüßt er Königin Elizabeth II. vor seinem Amtssitz in Bonn: einer von vielen wichtigen Staatsbesuchen. Bei der Wahl für seine zweite Amtszeit bleibt er ohne Gegenkandidat, zum bisher einzigen Mal in der Geschichte der Bundesrepublik.
Mahnender Begleiter der Einheit
In seine Amtszeit fällt schließlich die deutsche Wiedervereinigung: Helmut Kohl wird als "Kanzler der Einheit" gefeiert, Weizsäcker bleibt dabei eher am Rande. Im Gegensatz zu vielen anderen hält er es für besser, die Annäherung der beiden geteilten deutschen Staaten behutsam anzugehen.
Gegen den Strom
Wie bei diesem Marsch durch die Wüste bei Nefta geht Weizsäcker mühsamen Wegen selten aus dem Weg. Auch in der CDU ist er nie angepasster Parteigänger, sondern oft auch unbequem. 1992 wirft er den Parteien vor, zu großen Einfluss auf die deutsche Gesellschaft zu haben - und erntet Widerspruch auch aus seiner eigenen Partei.
Werber für Europa
Bis zuletzt mischt sich Richard von Weizsäcker in politische Diskussionen ein und bleibt ein gefragter Gesprächspartner für gesellschaftliche Fragen. Kurz vor Einführung des Euro macht er auf Plakatwänden Werbung für die Gemeinschaftswährung - und setzt damit ein Zeichen für das Zusammenwachsen Europas.