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Georg Büchner

Heike Mund
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Georg Büchner (Porträt: picture-alliance / dpa, Montage: Philip Kleine / Peter Steinmetz)
Bild: Fotomontage: DW

"Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht - und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump. Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehen konnte."

Der Autor

Georg Büchner als Freimaurer mit einem Logenbijou, Pastell eines unbekannten Künstlers, um 1830 (Quelle: www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH)
Georg BüchnerBild: www.zeno.org - Zenodot Verlagsges. mbH

Geboren am 17. Oktober 1813 in Goddelau/Hessen
Gestorben am 19. Februar 1837 in Zürich

Georg Büchner war ein mutiger Literat: klug, rebellisch und kämpferisch. Und seiner Zeit in jeder Hinsicht weit voraus. Allen Konventionen zum Trotz – vor allem der staatlichen Obrigkeit gegenüber – suchte er unbeirrbar seinen eigenen Weg: Als angehender Mediziner und als politischer Schriftsteller.

Geboren wird Georg Büchner in einem kleinen hessischen Dorf. Sein Vater ist Arzt, streng aber gerecht, die Mutter "ein Engel an Herzensgüte". Der kleine Georg bekommt viel vom Elend und Leiden der Kranken mit, da der Vater seine Patienten oft zuhause behandelt. 1815 zieht die Familie in die Residenzstadt des hessischen Großherzogs, nach Darmstadt, um. Dort wird Georg auf eine private Erziehungs- und Unterrichtsanstalt geschickt und muss als Achtjähriger von morgens bis abends die schwersten Fächer pauken. Prügel gehören zu den Erziehungsmethoden. Auf dem Gymnasium kommt er in Kontakt mit radikal-politischen Ideen: Man trifft sich in romantisierenden Kreisen, um gemeinsam revolutionäre Klassiker zu lesen.

Im Herbst 1831 schreibt er sich als Medizinstudent an der Universität Straßburg ein. Eher zögerlich taucht er in das fast großstädtische Leben ein und bekommt schnell die sozialen Spannungen mit: Armut und Verelendung gehören zum Alltag in Deutschland wie auch in Frankreich.

In Lyon kommt es im September 1831 zum Aufstand der Weber, der blutig niedergeschlagen wird. Georg Büchner schließt sich einer republikanischen Studentenverbindung an. Und verlobt sich heimlich mit der protestantischen Pfarrerstochter Wilhelmine ("Minna").

Theodore Mueller: Klamm im Tal der Andlau, Kreidelithographie, um 1836 (Foto: picture-alliance / akg-images)
"Der Wind klang wie ein Titanenlied. Es war ihm, als könnte er eine ungeheure Faust hinauf in den Himmel ballen und Gott herbeireißen und zwischen seinen Wolken schleifen; als könnte er die Welt mit den Zähnen zermalmen und sie dem Schöpfer ins Gesicht speien; er schwur, er lästerte."Bild: picture-alliance / akg-images

Nach einer Wanderung durch die Vogesen kehrt er im Sommer 1833 nach Darmstadt zurück. Tief deprimiert erlebt er die politischen Repressionen der Obrigkeit mit. Er setzt sein Medizinstudium an der Landes-Universität in Gießen fort, aber statt sich Anatomie-Vorlesungen anzuhören, beschäftigt er sich lieber mit Philosophie und Geschichte. Begeistert verschlingt er alles Greifbare über die Französische Revolution, liest "Hamlet", Goethes "Werther" und Jean Paul. Im Frühjahr 1834 beginnt er, Pamphlete für den illegalen "Hessischen Landboten" zu schreiben und gründet gemeinsam mit radikalen Burschenschaftern den Geheimbund "Gesellschaft für Menschenrecht". Er will das Volk aus seiner Unterdrückung befreien. Aber bei dem Versuch, die Druckwerke zu verteilen, wird ein Kommilitone verhaftet. Gegen Büchner als Verfasser wird umgehend ein Haftbefehl erlassen.

Er kann gerade noch rechtzeitig nach Straßburg abreisen. Aber er nimmt weiter an konspirativen Treffen teil und wird im Frühjahr 1835 erneut steckbrieflich gesucht. Nun muss er unter einem Decknamen in Frankreich untertauchen. Kurz vorher hatte er in nur wenigen Wochen mit der Niederschrift von "Dantons Tod" begonnen und in aller Eile dem Verleger Sauerländer das Stück geschickt. Aber er weiß, dass er von der Schriftstellerei nicht leben kann. Im Oktober 1836 übersiedelt er nach Zürich, um in seinem Brotberuf noch zu promovieren. Sein erstes sozialkritisches Bühnenstück ("Leonce und Lena") entsteht in dieser Zeit. Und er arbeitet eifrig an Szenen für seinen berühmten "Woyzeck", nach einem wahren Mordfall. Doch fertig stellen kann er das Werk nicht: Vermutlich infiziert er sich bei einer anatomischen Sektion. Nach tagelangem Typhusfieber stirbt er elendig am 19. Februar 1837 – mit nur 23 Jahren.

Der Text

In einem Vorwort zu Büchners Erzählung "Lenz" in seiner Zeitschrift "Telegraph für Deutschland" schrieb der Schriftsteller Karl Gutzkow ein paar bemerkenswerte Zeilen: Er rühmte die gewaltigen Naturschilderungen des Dichters und gab dann seinem Erstaunen über die ebenso gewaltigen Gemütsstörungen Ausdruck, die sich in den seelischen Verwerfungen des Romanhelden Lenz abbildeten. Die Geschichte sei ein aufwühlendes "Seelen-Seismogramm". Geschrieben hat Büchner den "Lenz" in den Jahren 1833/34, nach einer tiefen persönlichen Seelenkrise, die die erzwungene Trennung von seiner Verloben Minna ausgelöst hat. Zugrunde liegt in weiten Teilen die dramatische Lebensgeschichte des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792), aber die Erzählung trägt auch deutlich autobiographische Züge.

Theodore Mueller: Waldersbach, Kreidelithographie, 1836 (Foto: picture-alliance / akg-images)
"Alles, was er an Ruhe aus der Nähe Oberlins und aus der Stille des Tals geschöpft hatte, war weg; die Welt, die er hatte nutzen wollen, hatte einen ungeheuern Riß; er hatte keinen Haß, keine Liebe, keine Hoffnung - eine schreckliche Leere, und doch eine folternde Unruhe, sie auszufüllen. Er hatte nichts."Bild: picture-alliance / akg-images

Der Text beginnt mit der Schilderung von Lenz' Wanderung durch die winterlichen Vogesen, vorbei an schroffen Gebirgszügen und tiefen Schluchten. Sein durchbrechender Wahnsinn nimmt ihm auf dem steilen Weg zunehmend die Orientierungskraft ("es fasste ihn eine namenlose Angst in diesem Nichts…") und treibt ihn an den Rand seiner psychischen Belastungsfähigkeit. Im Pfarrhaus Oberlins angekommen, wird er ruhiger, doch plagen ihn weiterhin Angstzustände. Nach kurzer Linderung durch das soziale Netzwerk in dem Dorf erfasst ihn eine mystische Ekstase und bringt die Krankheit vollends zum Ausbruch. Oberlin, Pfarrer und Seelsorger für Lenz, lässt ihn am Schluss nach Straßburg bringen, wo er nach mehreren Selbstmordversuchen in seelischer Erstarrung versinkt.

Der Sprecher

Der Schauspieler Josef Tratnik
Josef TratnikBild: Josef Tratnik

Josef Tratnik, geboren am 18. Januar 1948, hat die Schauspielerei zuerst von der theoretischen Seite kennen gelernt. Ende der 1960er-Jahre begann er Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie zu studieren. Von 1967 bis 1970 absolvierte er seine Schauspielausbildung am Theater "Der Keller" in Köln. Erste Engagements am Theater am Dom und am Schauspiel Köln folgten. Nach dem Staatsexamen arbeitete er zunächst als Deutschlehrer, kehrte dann 1977 doch lieber auf die Bühne zurück und spielte im Ensemble des Westfälischen Landestheaters. Gleichzeitig begann seine Sprechertätigkeit beim Hörfunk und für Fernseh-Dokumentationen.

Als freischaffender Schauspieler wagt er sich immer wieder an engagierte eigene Theater-Produktionen und spielt gern in anspruchsvollen Literaturadaptionen im Fernsehen, unter anderem 1980 in der Verfilmung der "Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff. Regelmäßig steht er in verschiedenen Theatern auf der Bühne, nicht nur in Theaterstücken, sondern auch bei Leseabenden. Mit seiner prägnanten Stimme sind zahlreiche Hörbücher erschienen, etwa die sehr populäre Perry-Rhodan-Serie.



Die Klassiker - Georg Büchner: Lenz
Sprecher: Josef Tratnik
Produktion: interface studios, Köln
Regie: Heike Mund
Online-Realisation: Claudia Unseld
Redaktion: Gabriela Schaaf