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Genozid-Gespräche gehen in die Verlängerung

Daniel Pelz
28. Juli 2017

Bis zur Bundestagswahl wollte sich Deutschland für den Kolonial-Genozid an den Herero und Nama entschuldigt haben. Daraus wird nun nichts. Denn die Verhandlungen mit Namibia kommen nicht voran.

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Namibia Genozid deutscher Truppen
Bild: picture-alliance/dpa/W. Gebert

Mit Prognosen ist der Namibia-Beauftragte der Bundesregierung, Ruprecht Polenz, vorsichtig geworden. "Ich möchte jetzt keinen Endpunkt benennen", sagt er auf die Frage, wann die Gespräche über die Aufarbeitung des Kolonial-Genozids an den Herero und Nama abgeschlossen sein werden.

Lange war die Bundesregierung optimistischer. Vor der Bundestagswahl sollte eine gemeinsame Erklärung beider Länder zum Völkermord kommen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes letztes Jahr. Die Gespräche machten gute Fortschritte. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Vor der Wahl wird es wohl keine Einigung mit Namibia geben - für die Bundesregierung ein Rückschlag. Schon letztes Jahr räumte Bundestagspräsident Norbert Lammert ein, es sei "ein bisschen peinlich", dass es noch immer keine eindeutige Erklärung Deutschlands zum Völkermord gebe. Der Hamburger Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer spricht von einem "Imageverlust" für Deutschland.

Auch, weil die Bundesregierung sich bislang weigert, vor einem US-Gericht zu erscheinen. Dort hatten einige Herero und Nama-Vertreter Anfang des Jahres Klage gegen sie eingereicht. Sie wollen so direkte Verhandlungen mit der Bundesregierung erzwingen. Außerdem fordern sie Entschädigungen. Ein nächster Termin ist im Oktober in New York angesetzt.

Überlebende Herero nach der Flucht durch die Wüste
Nur wenige Herero kehrten ausgehungert, aber lebendig aus der Omaheke-Wüste zurückBild: public domain

Mit dem Genozid in seiner früheren Kolonie "Deutsch-Südwestafrika" tut sich Deutschland schon lange schwer. Über Jahrzehnte weigerten sich verschiedene Bundesregierungen, von einem Völkermord zu sprechen. Die Herero und Nama-Völker hatten dort von 1904 bis 1908 gegen die deutsche Besatzung rebelliert. Kaiserliche Soldaten schlugen den Aufstand nieder. Sie trieben zahlreiche Herero und Nama in die Wüste, wo sie verdursteten. Rund 75000 Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Andere Quellen gehen von noch mehr Opfern aus.

Verhandlungen "dümpeln dahin"

Nun lässt die Entschuldigung aus Deutschland weiter auf sich warten. Wegen der Wahl wird es noch länger dauern - auch wenn Sondervermittler Polenz zu beruhigen versucht. "Ich sehe nicht, dass eine neue Bundesregierung an der grundsätzlichen Verhandlungslinie wichtige Veränderungen vornehmen will", sagt er zur DW. Aber: Eine neue Bundesregierung muss nach der Wahl erstmal gebildet werden. Die Koalitionsverhandlungen könnten Monate dauern. So lange können denn auch die Gespräche mit Namibia nicht abgeschlossen werden.

Für Experten kommt die Entwicklung nicht überraschend. "Die Gespräche dümpeln dahin" sagt der Namibia-Experte Henning Melber. Fünf offizielle Verhandlungsrunden hat es bisher gegeben. Letztes Jahr legte die namibische Regierung dann schriftlich ihre Forderungen vor - erst Ende Juni kam die offizielle Antwort aus Berlin.

Herero-Aufstand 1904 Ausschnitt aus der Abschrift des Schießbefehls Trothas
Dieser Befehl des deutschen Generalleutnants Lothar von Trotha sollte zur Auslöschung des Herero-Volkes führenBild: Bundesarchiv/R 1001/2089

Die Fronten scheinen auf beiden Seiten verhärtet zu sein. Zum Beispiel beim Thema Geld. Deutschland stellte recht früh öffentlich klar, dass es keine Entschädigungen für den Genozid zahlen will. Damit stieß man aber die namibische Seite vor den Kopf, vermutet Experte Melber. "Es ist eigentlich das ABC diplomatischer Verhandlungen, dass man sich an den Tisch setzt und sagt 'Wir verhandeln' und sich offen gibt, auch wenn man nicht offen ist", sagte er der DW. "Aber schon vorwegzunehmen, was auf keinen Fall geht, ist eine ziemlich dumme Geschichte."

Kein Kompromiss im Streit um Entschädigungen

Das sieht CDU-Politiker Polenz anders: "Ich finde es richtig, so etwas von Anfang an klarzustellen, damit sich die Erwartungen auf ein realistisches Maß konzentrieren können und nicht unrealistisch die Verhandlungen belasten." Beim Thema Entschädigungen will die Bundesregierung auch künftig hart bleiben. "Wir sehen diese Frage nicht als eine Rechtsfrage - und 'Entschädigungen' ist ein Rechtsbegriff - sondern als eine politisch-moralische Frage. Das ist nicht weniger, sondern etwas anderes", sagt Polenz.

Deutschland bietet stattdessen indirekte "Wiedergutmachungen": Eine deutsch-namibische Zukunftsstiftung, die in beiden Ländern Projekte zum Gedenken an den Völkermord fördern soll. Neben der bereits geleisteten Entwicklungshilfe sollen noch Projekte in vier Bereichen gefördert werden: Berufsbildung, Energieversorgung, ein Programm zur Unterstützung mit preiswertem Wohnraum und Hilfe bei der Landreform. In früheren Interviews sprach Polenz davon,  Deutschland habe eine moralische Verpflichtung, Wunden zu heilen.

Namibia Deutschland Völkermord an der Herero
Schon im Jahr 2011, als 20 Schädel von getöteten Herero und Nama nach Namibia zurückgebracht wurden, war die Erwartung ihrer Nachkommen klar: Deutschland soll für den Völkermord bezahlenBild: AFP/Getty Images/B. Weidlich

Doch damit ist die namibische Seite nicht zufrieden. Die Gespräche verliefen in freundlicher Atmosphäre und machten Fortschritte, sagt der namibische Verhandlungsführer Zed Ngavirue. "Beim Ausdruck 'Die Wunden heilen' schwingt vielleicht mit, dass Deutschland glauben könnte, dass dies durch das Rezept eines Arztes in Berlin geschehen könnte", sagt er im DW-Interview. "Aber aus unserer Sicht kann die Frage von Entschädigungen nicht allein durch das Rezept eines Arztes in Berlin entschieden werden." Die Frage müsse daher eines der Hauptthemen der nächsten Verhandlungsrunde sein.

Genug Diskussionsstoff,  wenn sich beide Seiten zu den nächsten Gesprächen treffen werden. Sie sollen in Berlin stattfinden. Aber noch ist unklar, wann das sein wird. Mit einem baldigen Abschluss rechnen Experten auch dann nicht. "Die Gespräche werden noch lange dauern", sagt Melber.