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Geldprobleme beim IS?

Andreas Becker9. Januar 2015

Die Dschihadisten-Organisation "Islamischer Staat" (IS) gilt als finanzstärkste Terrorgruppe der Welt. Weil aber auch ihre Kosten gewaltig sind, könnte sie finanzielle Probleme bekommen.

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Symbolbild Islamischer Staat
Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Mizban

Die Kriegskasse der Terrororganisation "Islamischer Staat" ist gewaltig: Zwischen einer und zwei Milliarden US-Dollar sollen die Dschihadisten des IS angesammelt haben, sagt Tom Keatinge. Er ist Direktor des Zentrums zur Erforschung von Finanzkriminalität am Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (RUSI) , einer Denkfabrik in London, die hauptsächlich vom britischen Verteidigungsministerium finanziert wird.

"Es gibt zwei Haupteinnahmequellen", so Keatinge gegenüber DW, "zum einen der Handel mit Öl, zum anderen Steuern und Erpressungsgeld von Unternehmen und Privatleuten in den Gebieten, die vom IS kontrolliert werden."

Allerdings sind die Einnahmen durch die Ölfelder, die der IS kontrolliert, wohl deutlich geringer, als noch im Sommer 2014 angenommen wurde. "Vor drei oder vier Monaten schätzte man die täglichen Einnahmen durch den Ölverkauf auf zwei bis drei Millionen US-Dollar pro Tag", sagt Keatinge. "Die jüngsten Schätzungen gehen nur von einer Million Dollar pro Tag aus."

Sinkende Einnahmen

Das liegt am Ölpreis-Verfall, aber auch an der Bombardierung der Produktionsstätten durch die USA und ihre Verbündeten. Bessere Kontrollen haben zudem den Verkauf des Öls über den Schwarzmarkt in der Türkei oder Jordanien erschwert, sagt Günter Meyer, der das "Zentrum für Forschung zur arabischen Welt" an der Universität Mainz leitet.

Die Öl-Einnahmen könnten sogar noch weiter fallen, weil es dem IS an Fachkräften mangelt, so Meyer gegenüber der DW. "In Saudi-Arabien wurden auf dem Schwarzmarkt Experten gesucht für eine Raffinerie des Islamischen Staates, Jahresgehalt 225.000 Dollar. Hier zeigt sich, dass Experten, die das Ganze am Laufen halten können, rar gesät sind."

Spenden reicher Privatpersonen aus Saudi-Arabien, Katar oder Kuwait hätten dank besserer Kontrollen ebenfalls deutlich nachgelassen, so Meyer. Sie werden inzwischen auf 40 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt.

Eine wichtige Geldquelle ist weiterhin der zunehmend professionelle Handel mit wertvollen Antiquitäten, sagt Meyer. Inzwischen würden Ausgrabungsgebiete von Konzessionsnehmern sogar mit Bulldozern durchpflügt und dabei zerstört. Die dabei zu Tage geförderten Fundstücke würden vom IS dann hoch besteuert, bevor sie ins Ausland geschmuggelt und dort verkauft werden.

Gewaltige Ausgaben

Den Einnahmen des IS stehen allerdings auch gewaltige Ausgaben gegenüber. Der IS kontrolliert in Irak und Syrien ein Gebiet, in dem rund acht Millionen Menschen leben, sagt Finanzexperte Keatinge. "Diese Leute haben Erwartungen, und der IS hat ihnen Zusagen gemacht."

Nach eigenen Angaben pumpt die Organisation Millionen von Dollar in Infrastruktur, Dienstleistungen und die Versorgung mit Lebensmitteln, so Keatinge. "All das kostet viel Geld. Der IS mag über ein oder zwei Milliarden Dollar verfügen - er hat aber auch beträchtliche Verpflichtungen."

Bildergalerie Alltag in Syrien unter IS Herrschaft
Die syrische Stadt Rakka: hohe Arbeitslosigkeit, steigende PreiseBild: Reuters

Anfangs hat der IS den Preis für Getreide kontrolliert und künstlich niedrig gehalten. Ob ihm das auch in Zukunft gelingen wird, ist fraglich. In einigen Gebieten sind die Bauern in Massen vor den anrückenden IS-Truppen geflohen. Was das für die Ernte in diesem Jahr bedeutet, ist noch nicht abzusehen.

"Ein Drittel der Getreideproduktion im Irak kommt aus Gebieten, die der IS kontrolliert", sagt Tom Keatinge. "Wir werden erst nach einer gewissen Zeit sehen, welche finanziellen Probleme sich daraus ergeben."

Schätzungen zufolge gibt IS rund ein Drittel seiner Mittel für Infrastruktur und "Wohltaten" aus, sagt Günter Meyer von der Uni Mainz. Ein weiteres Drittel werde für Waffen ausgegeben, das restliche Drittel für die Bezahlung der Truppen. Deren Größe werde auf bis zu 50.000 Kämpfer geschätzt, davon sollen etwa 15.000 aus dem Ausland kommen.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die Kämpfer werden vom IS gut bezahlt, während die normale Bevölkerung, etwa in der syrischen Stadt Rakka, die als Hauptstadt des IS-Kalifats gilt, unter hoher Arbeitslosigkeit und expodierenden Preisen leidet, sagt Meyer: "Hier ist mittlerweile eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden. Bei den Dschihadisten fehlt es an nichts, sie haben sogar eine private Klinik mit den besten Ärzten. Dagegen wird die Versorgung für die einheimische Bevölkerung, die nicht zu den Kadern des Islamischen Staates gehört, immer schlechter. Hier zeichnen sich soziale Spannungen ab."

Wann die Kontrolle der Bevölkerung in den besetzten Gebieten für den IS zu einem ernsten Problem wird, ist schwer abzuschätzen. "Das wird nicht in den nächsten paar Monaten passieren", sagte Tom Keatinge von RUSI. "Die USA gehen von einem Zeitraum von 36 Monaten aus."