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Gebremster Patriotismus

Wolter von Tiesenhausen3. Oktober 2002

Deutschland ist seit zwölf Jahren wiedervereinigt. Mit Patriotismus tun sich die Deutschen aber noch immer schwer. Ein Kommentar von Wolter von Tiesenhausen.

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Die Deutschen tun sich schwer mit ihren nationalen Gefühlen. Der Missbrauch, den die Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 und die Kommunisten von 1945 bis 1989 mit den patriotischen Empfindungen getrieben haben, hat die Menschen misstrauisch werden lassen. Die meisten scheuen sich, ihre Gefühle offen zu zeigen und machen nur bei internationalen sportlichen Großereignissen einmal eine Ausnahme.

Das wirkt fremd in einer Welt, die sonst keine Zurückhaltung kennt, wenn es darum geht, den Stolz auf das eigene Land zu bekunden. Die fast schon religiöse Verehrung der amerikanischen Fahne, die Selbstverständlichkeit, mit der Frankreichs Größe gefeiert wird, oder der Pomp mit der die Briten ihre Monarchie zelebrieren, das können nur wenige Deutsche nachempfinden.

Grund zum Stolz

Dabei haben sie allen Grund trotz der düsteren Schatten der Vergangenheit stolz auf das inzwischen Geleistete zu sein. Aus den Trümmern des Krieges entstand ein demokratisches und stabiles Gemeinwesen. In einer beispielhaften Anstrengung gelang die Integration von Millionen aus ihrer Heimat im Osten vertriebenen Landsleuten.

Aus der Idee der Sozialbindung des Eigentums erwuchs die Soziale Marktwirtschaft, eine ebenso leistungsfähige wie gerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Beharrliche Politik und der Mut der Menschen in der DDR schufen die Voraussetzungen für eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Und dies mit der - manchmal etwas zögerlichen - Zustimmung der Nachbarn.

Motor Europas

Deutschland ist einer der Motoren der europäischen Einigung, leistet seinen Beitrag zur internationalen Entwicklung und stellt seine Soldaten zur Verfügung, wenn es um die Sicherung des Friedens geht. Es ist - trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten - nach den Vereinigten Staaten die zweit wichtigste Handelsnation der Welt. Das Land bietet Verfolgten so großzügig Schutz, daß es Maßnahmen ergreifen muß, um den Missbrauch zu bekämpfen. Es garantiert Religions- und Meinungsfreiheit sogar denen, die diese Freiheiten verachten.

Nein, Deutschland muß sich nicht verstecken. Seine Bürger können stolz sein und haben das Recht, diesen Stolz auch nach aussen zu zeigen. Daß sie es verhaltener tun als in anderen Ländern üblich, belegt auch, daß die Deutschen aus ihrer so wechselvollen Geschichte gelernt haben. Sie wissen, daß wahrer Partriotismus sich nicht an der Lautstärke des Jubels und der Menge der schwarz-rot-goldenen Fahnen misst. Wichtiger ist die Bereitschaft, für das Gemeinwesen und damit die Mitmenschen einzustehen.