Gaucks schwerer Gang nach Oradour
3. September 2013Zum Auftakt des dreitägigen Staatsbesuchs trifft Joachim Gauck in Paris mit Präsident François Hollande zusammen. Auch ein Gespräch mit Premierminister Jean-Marc Ayrault steht auf dem Programm. Begleitet wird Gauck von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt.
Der erste Besuch eines Bundespräsidenten seit fast 20 Jahren
Es ist der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten in Frankreich seit 1996. Damals hatte Roman Herzog das Nachbarland besucht. Am Mittwoch reist Gauck zusammen mit Präsident Hollande in das mittelfranzösische Oradour-sur-Glane, wo deutsche Waffen-SS-Soldaten 1944 mehr als 600 Franzosen umgebracht hatten.
Einer der letzten Überlebenden des SS-Massakers, der heute 88-jährige Robert Hébras, würdigte im Vorfeld den Besuch Gaucks als "extrem wichtig" und betonte: "Wir müssen uns mit dem deutschen Volk versöhnen". Der Besuch sei eine "logische Folge des Aufbaus Europas" und komme zeitlich richtig: "Vor 50 oder 60 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ein deutscher Präsident nach Oradour kommen kann", so Hébras, der bei dem Massaker seine Mutter und zwei seiner Schwestern verlor. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Vorher wäre es zu früh gewesen."
Verneigung vor den Toten
Am 10. Juni 1944 hatten deutsche Soldaten in dem Dorf 642 Menschen getötet, darunter 452 Frauen und Kinder. Nur der damals 18 Jahre alte Hébras, vier weitere Männer und eine Frau überlebten das Massaker. Bis heute gilt das Blutbad als Symbol für die Grausamkeit der Nazi-Besatzung in Frankreich. Gauck ist der erste Bundespräsident, der den Ort aufsucht. Er wird sich vor den Toten von Oradour verneigen. Es sieht dort fast noch so aus wie bei Kriegsende 1945 (Artikelfoto). General Charles de Gaulle hatte verfügt, den Ort als Nationalmonument zu bewahren.
50 Jahre Élysée-Vertrag
Zum Abschluss seines Frankreich-Besuches fliegt Gauck am Donnerstag nach Marseille, die europäische Kulturhauptstadt 2013. Dem dreitägigen Staatsbesuch wird große Bedeutung zugewiesen, auch, weil Deutschland und Frankreich in diesem Jahr das 50. Jubiläum des Élysée-Vertrages begehen. Mit diesem Vertrag hatten die beiden europäischen Länder, die sich in zwei Weltkriegen gegenüberstanden, 1963 ihre Freundschaft besiegelt.
haz/sc (dpa, afp)