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Politik

Chancen am Rand Europas

Europa-Gastkolumnist Radu Magdin
Radu Magdin
4. April 2020

Die Länder des Westbalkan und die Östliche Partnerschaft der EU könnten von der Corona-Pandemie sogar profitieren. Denn durch sie wird sich die Globalisierung verlangsamen. Gute Ideen sind gefragt, meint Radu Magdin.

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Nord-Mazedonien Skopje Coronavirus
Nur noch Hunde bevölkern die Straßen von Nordmazedoniens Hauptstadt SkopjeBild: DW/P. Stojanovski

Das Spotten über die EU-Institutionen und ihre verspätete Reaktion auf die Corona-Pandemie mag verlockend sein. Insbesondere für Beamte in den Ländern, die von der Europäischen Union für ihre harten Maßnahmen kritisiert und zurückgepfiffen wurden. Aber auch wenn der Hinweis auf die mangelnde Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten nahe liegt, wird die EU doch weiterhin eine Schlüsselrolle für das Schicksal der Nationen auf dem Westbalkan und in der Östlichen Partnerschaft spielen.

Da auf die Pandemie eine Zeit des wirtschaftlichen und strategischen Wandels folgen wird, ist es für die Regierungen dieser Länder umso mehr von entscheidender Bedeutung, schnell zu verstehen, was sich ändern wird. Und sich dann kreativ und pragmatisch mit der Europäischen Union auseinanderzusetzen.

Die EU sorgt sich weiter um ihre Nachbarn

Erst im März hat die EU endlich der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien zugestimmt. Diese Entscheidung ist wichtig - vor allem angesichts des Kontextes, in dem sie getroffen wurde: Auch wenn die Pandemie die Europäische Union derzeit schwer trifft, zeigt die Gemeinschaft immer noch Engagement für Stabilität und Wohlstand seiner Nachbarn. Man mag die Vorgehensweise der EU für (übermäßig) bürokratisch halten. Aber was der Union an Kommunikationskompetenz fehlt, macht sie durch echtes Engagement für die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Partner- und Kandidatenländer wett.

Europa-Gastkolumnist Radu Magdin
Gastkommentator Radu MagdinBild: Privat

Die Europäische Union wird die Zukunft der Länder des Westbalkans und der Östlichen Partnerschaft maßgeblich mitgestalten. Für die zweite Gruppe sind die Dinge natürlich noch komplizierter, wenn man bedenkt, wie diese Partnerschaft definiert ist: Es gibt nämlich keinen klaren Fahrplan zum EU-Beitritt dieser Länder. Allerdings muss man zwei Aspekte im Auge behalten: Erstens ihre Abhängigkeit vom EU-Binnenmarkt - die Republik Moldau beispielsweise exportiert zwei Drittel seiner Produkte in die Europäische Union. Zweitens ist die EU die wichtigste Heimat für die Diaspora all dieser Länder. Man denke zum Beispiel an die bis zur Corona-Pandemie stark wachsende Zahl der ukrainischen Arbeitnehmer in der EU.

Am Montag hat die Europäische Union finanzielle Hilfe für alle diese Länder gegen die Folgen der Pandemie angekündigt. Wie umfangreich diese Hilfen der EU im Einzelfall sein werden, wird davon abhängen, wie engagiert und kreativ die jeweiligen Regierungen sind. Die Europäische Union muss an vielen Stellen helfen. Deswegen können Staaten mit hoher Eigeninitiative auf eine viel produktivere Beziehung mit der EU hoffen. Natürlich wird es einen regionalen Wettbewerb um Ressourcen aus und Aufmerksamkeit in Brüssel geben. Und die Länder, die bereit sind, die von der EU geforderten Bedingungen zu akzeptieren, werden vielleicht mehr von beidem bekommen. Nur auf die EU zu schimpfen, wird dagegen nicht soviel Erfolg bringen.

Profitieren von Verlangsamung der Globalisierung

Bei der Zusammenarbeit mit der EU sollten die Regierungen versuchen, von der absehbaren Verlangsamung der Globalisierung zu profitieren. Dies könnte sich in ähnlicher Weise vollziehen, wie dies in den 1990er-Jahren in den Ländern Mittel- und Osteuropas geschehen ist. Denn die Krise wird Auswirkungen auf die globalen Wertschöpfungsketten haben, und die Produktion von Schlüsselindustrien wird wieder innerhalb der EU-Grenzen oder zumindest näher an die EU-Grenzen verlagert werden. Dies ist eine große Chance für diese Länder, sich als verlässliche Partner zu profilieren. Das würde Arbeitsplätze sowie den Transfer von Technologie und Know-how bedeuten. Und, was noch wichtiger ist: Es wäre eine Chance für die Menschen, die jetzt in ihre Heimat zurückkehren werden, weil die EU-Länder durch die kommende Rezession für Auswanderer nicht mehr so attraktiv sind. Ein Silberstreif am Horizont der Krise - aber darauf muss man schnell reagieren.

Die Staats- und Regierungschefs der Länder des Westbalkans und der Östlichen Partnerschaft müssen nun zügig Planungsstäbe mit einheimischen und ausländischen Experten bilden. Den größten Nutzen wird haben, wer bei den wirtschaftlichen Veränderungen und dem kommenden harten Wettbewerb um jede Investition und jeden Cent Hilfe vorausschauend denkt. Auch ihre langsam zurückkehrende Diaspora mit ihren in Westeuropa gewonnenen Qualifikationen sollten die Regierungen als eine Chance sehen und dazu einladen, sich an der künftigen Entwicklung ihrer Heimatländer zu beteiligen. 

Der Analyst Radu Magdin war 2014 und 2015 ehrenamtlicher Berater des rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta. Von 2016 bis 2017 beriet er Pavel Filip, den Ministerpräsidenten der Republik Moldau. Von 2007 bis 2012 arbeitete er in Brüssel für das Europäische Parlament, EurActiv und Google.