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Politik

Gastkolumne: Der richtige Mann für Bosnien

Christian Schwarz-Schilling
7. Juni 2021

Der erfahrene CSU-Politiker Christian Schmidt muss als Hoher Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft verhindern, dass Bosnien zum Spielball der Großmächte wird, meint Amtsvorgänger Christian Schwarz-Schilling.

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Deutschland Christian Schmidt NEU
Ex-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) bei der Srebrenica-Gedenkveranstaltung in Berlin im Juli 2020Bild: Jasmina Rose/DW

"Ich fühle mich geehrt und werde mich dafür einsetzen, eng mit der Internationalen Gemeinschaft für die Zukunft des Volkes von Bosnien und Herzegowina auf dem Weg in die Europäische Union zusammenzuarbeiten." Mit diesen Worten kommentierte Christian Schmidt auf dem populären bosnischen Internet-Portal klix.ba seine Ernennung zum neuen Hohen Repräsentanten (HR) der Internationalen Gemeinschaft in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik am 27.05.2021.

Mit der Entscheidung des Lenkungsausschusses (Stearing Board) des Friedensimplementierungsrats (PIC) für Bosnien und Herzegowina ist der erfahrene CSU-Politiker der zweite HR, der aus Deutschland kommt. Die Aufgabe, den Friedensvertrag von Dayton, der den blutigen Bosnienkrieg (1992-1995) beendete, zu überwachen und den politisch-zivilen Teil des Abkommens zu implementieren, hat sich seit 1996 alles andere als einfach erwiesen. Durch die ständigen Blockaden vor allem seitens der bosnischen Serben und bosnischen Kroaten ist der bosnische Staat heute praktisch funktionsunfähig und zeigt kaum Fortschritte auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie.

Timeline Zerfall Jugoslawien Alija Izetegovic Franjo Tudjman und Slobodan Milosevic Treffen in Dayton USA
Die Präsidenten Izetbegović (Bosnien), Tudjman (Kroatien) und Milošević (Serbien) nach den Verhandlungen in DaytonBild: picture-alliance/dpa

Die nötigen Reformen auf dem Weg in die EU bleiben auf der Strecke - und zeitgleich werden sezessionistische Stimmen immer lauter. Ethno-Nationalisten der drei größten Völkergruppen - bosnische Serben, bosnische Kroaten und Bosniaken - halten sich seit Ende des Krieges an der Macht und bremsen alle Reformversuche in dem geschundenen Land.

Der Österreicher Valentin Inzko hat in den vergangenen zwölf Jahren die Funktion des HR ausgeübt - aufgrund fehlender Unterstützung seitens der Internationalen Gemeinschaft leider mit gebundenen Händen; und damit leider auch ohne große Fortschritte. Christian Schmidt steht also vor keiner einfachen Aufgabe.

Böswillige Stimmen

Die Kandidatur von Christian Schmidt wurde von Beginn an torpediert: Böswillige Stimmen sprachen im Januar 2021 über einem geheimen Plan zwischen Deutschland und Russland gegen die USA; andere Kritiker beschwerten sich über "Deutschlands Alleingang"; und manche meinten, dass der CSU-Politiker Schmidt der nationalistischen kroatischen Partei "Kroatische Demokratische Gemeinschaft" (HDZ) zu nahe stände. Doch all diese Behauptungen erwiesen sich bald als Gerüchte.

DW Interview Valentin Inzko
Der amtierende HR in Bosnien, Valentin Inzko aus Österreich, ist seit 2009 im AmtBild: Marina Martinovic/DW

Deutschland hat, wie das Auswärtige Amt feststellt, einen neuen HR in "enger Abstimmung mit internationalen Partnern und den Mitgliedern des Lenkungsausschusses des Friedensimplementierungsrats" vorgeschlagen. Man sollte daher diese Initiative begrüßen, zumal sie zeigt, dass sich Deutschland und die EU wieder stärker für Bosnien und Herzegowina interessieren. Es ist auch hervorzuheben, dass der zukünftige HR die Unterstützung der USA genießt.

Russlands Taktik

Leider spielt Russland bei der Ernennung des HR keine konstruktive Rolle. Ganz im Gegenteil, die Regierung in Moskau stellt sich quer - und das ist bereits seit Jahren die russische Taktik. Dahinter steckt eine Strategie, deren Ziel es ist, Instabilität in Europa zu schaffen und die NATO-Mitgliedschaft der Balkanländer zu verhindern. In Zusammenarbeit mit bosnischen Serben und Serbien zeigt das durchaus Erfolge.

Bosnien Herzegowina Sitz des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina in Sarajewo
Der Sitz des Büros der Hohen Repräsentanten (OHR) in der bosnischen Hauptstadt SarajevoBild: DW/S. Huseinovic

Man muss hier jedoch auch anmerken, dass ein abnehmendes Interesse an der Westbalkan-Region seitens der EU und der USA in der vergangenen 15 Jahren das russische Agieren leicht gemacht hat. Schon seit Jahren will Moskau eine Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR), was die Krise in Bosnien in absehbarer Weise noch vergrößern und das Bestehen dieses Staates gefährden würde. Daher ist Russland generell auch mit der Ernennung eines neuen HR nicht einverstanden und sucht alle Wege und Möglichkeiten, die Besetzung dieser Position zu verhindern.

Keine UN-Position

Christian Schmidt ist der erste HR, der von PIC bzw. dessen Stearing Board nicht einstimmig ernannt wurde. Doch da es bisher kein klares Verfahren für die Ernennung gibt, kann Russland sich auch nicht auf ein Verfahren berufen, dass einer Zustimmung des UN-Sicherheitsrats (SC) bedarf. Trotzdem versucht Moskau nun, den SC in seinem Sinne zu instrumentalisieren.

Bosnien und Herzegowina Kommunalwahlen November 2020 Milorad Dodik,
Milorad Dodik, der Anführer der bosnischen "Entität" Republika SrpskaBild: Amel Emric/AP Photo/picture alliance

Russland nimmt wohl an, mit einem Veto im Sicherheitsrat die Entscheidung von PIC bzw. Stearing Board außer Kraft setzen zu können. Aber das Amt des Hohen Repräsentanten ist keine UN-Position, sondern ein Ad-hoc-Amt im Rahmen des Dayton-Friedensabkommens. Auch ich persönlich wurde damals im SC in meiner Funktion als HR zur Kenntnis genommen und begrüßt - ohne Extra-Resolution. Deswegen ist die Ernennung des neuen HR Christian Schmidt auch heute ohne UN-Sicherheitsrat gültig.

Keine "verminderte Legitimität"

Auch die Republika Srpska, eine der zwei "Entitäten" Bosnien und Herzegowinas, und ihr politischer Anführer Milorad Dodik sowie die benachbarte Republik Serbien wollen den neuen HR nicht akzeptieren und bezeichnen ihn als "illegitim". Es ist aber nicht ihre Aufgabe, über die Wahl des neuen HR zu befinden.

Wolfgang Petritsch österreichischer Diplomat
Der österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch war von 1999 bis 2002 HR für Bosnien und HerzegowinaBild: picture-alliance/Pixsell

Auch wenn der ehemalige HR Wolfgang Petritsch auf klix.ba die Frage stellt: "Wie wird Schmidt das Problem mit Russland im PIC-Lenkungsausschuss lösen und wie wird er die Probleme mit Dodik lösen? Hat er einen Plan?", ist zu antworten, dass er die oben genannten Fakten zur Kenntnis nehmen und seine falsche Annahme über eine "verminderte Legitimität" des neuen HR korrigieren sollte.

Bosnien und Herzegowina nicht sich selbst überlassen

Eine Abschaffung des OHR wäre für Bosnien gefährlich, da man das Land in heutigem Zustand nicht sich selbst überlassen kann. Ich habe als HR im Jahr 2006 verstanden, dass die lokalen Politiker an Reformen nicht interessiert sind und dass viel mehr Engagement der Internationalen Gemeinschaft nötig ist. Diese Lage ist heute eher noch dringlicher geworden. Zumal heute Pläne von Regierungen aus der EU und den Westbalkanstaaten existieren, das Land endgültig zu teilen.

Bestimmte Akteure scheinen alles, was ihnen nicht in den Kram passt, einfach als "illegitim" zu deklarieren. Mich wundert, dass mein ehemaliger Kollege Petritsch in dieselbe Richtung geht. Ich bin sicher, dass Bosnien mit Christian Schmidt am 1. August einen fähigen HR bekommt, und dass Deutschland, die EU und die USA ihm die gleiche notwendige Rückenstärkung geben werden wie im PIC Lenkungsausschuss am 27. Mai 2021 geschehen.

Christian Schwarz-Schilling Kommentarbild App
Bild: Oliver Rüther

Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling war 2006/07 Hoher Repräsentant und EU-Sonderbeauftragter in Bosnien und Herzegowina. Von 1982 bis 1992 hatte der CDU-Politiker das Amt des Bundesministers für Post und Telekommunikation inne. Er trat aus Protest gegen die Haltung der Bundesregierung im Bosnien-Krieg zurück.