Die Roten Funken
26. Februar 2019Ein Roter Funk hat den Karnevalsvirus in sich. Er ist in der Regel ein Mann. Er ist in Köln gut vernetzt und er ist trinkfest. Und er hat einen langen Atem bewiesen um in diesen illustren Verein aufgenommen zu werden: Denn das geht zum einen nur über Beziehungen, Freundschaften oder Familie. Zweitens muss er über eine lange Zeitspanne zeigen, ob er ein guter Funk werden wird. Drittens schaut man genau hin, wie sich der Aspirant in allen erdenklichen Lebenslagen verhält, erklärt Günter Ebert, Vorstand Kommunikation der Roten Funken.
Hat der Anwärter schließlich zwei Bürgen gefunden, steht der Aufnahme in den Verein nichts mehr im Wege. "Das kann drei bis vier Jahre dauern", erklärt Ebert, "und dabei ist es egal, ob es sich bei dem Bewerber um das Vorstandsmitglied eines Weltkonzerns handelt oder um einen Handwerker. Mit Geld einfach reinkaufen kann man sich hier nicht."
Die Funken-Session beginnt Allerheiligen
Am 11.11. beginnt die Karnevalssession. Die Roten Funken aber fangen schon etwas früher an. Mit einem eher ernsten Ritual: Sie besuchen am 1. November ihre Verstorbenen auf Kölns altehrwürdigem Friedhof Melaten. Eine sehr emotionale Veranstaltung, sagt Ebert.
Den offiziellen Sessionsbeginn feiern die Funken in der Kölner Altstadt am "Rote Funken-Platz". Ein kleines Plätzchen ist das, und dennoch fährt der Verein dort alles auf, was er zu bieten haben: die komplette Mannschaft, bestehend aus 450 Männern, dazu kommt der Spielmannszug und ein Orchester. Als Live Acts laden die Funken die eine oder andere Kölschband ein, die die Truppe dann in Stimmung bringt.
Im November ist es dann für alle Karnevalisten noch vergleichsweise ruhig, schließlich beginnt ja auch bald die Adventszeit. Richtig zur Sache geht es dann im neuen Jahr: Neben allerlei kleinen Veranstaltungen bestreiten die Funken allein 17 große Sitzungen verschiedenster Art.
Einsatz für den guten Zweck
Die Roten Funken haben sich nicht nur dem Karneval und der Brauchtumspflege verschrieben. Sie sehen sich auch als gemeinnützigen Verein mit sozialen Verpflichtungen. So unterstützen sie auch Menschen, denen es nicht so gut geht. Im Dezember halten die Funken in der Kölner Südstadt eine "Mess op Kölsch" ab: Ein Gottesdienst, in dem Kölsch gesprochen und gesungen wird. Die Kollekte, die dabei zusammenkommt, kann sich sehen lassen: 12.000 Euro sind 2018 zugunsten eines Kölner Vereins, der sich um Arme und Obdachlose kümmert, zusammengekommen.
Die Funken organisieren außerdem Karnevalssitzungen für Menschen mit Behinderung. Und sie gehen mit der sogenannten "Kötterbüchse" sammeln - eine Funkentradition, die es seit 100 Jahren gibt. Schon damals sind die Roten Funken in Uniform durch die Stadt gelaufen und haben Geld für Bedürftige gesammelt. 2019 wird vor allem ein Projekt, das sich für die etwa 1.500 obdachlosen Frauen in Köln einsetzt, unterstützt.
In Uniform und mit Spielmannszug sind die Funken durch die Kölner Einkaufsmeile gelaufen und haben tatsächlich an einem Wochenende 11.000 Euro eingesammelt. Ein leichtes Spiel für sie, denn die vielen Touristen rund um den Kölner Dom wollten sich gerne mit den stattlichen Herren fotografieren lassen - dafür landetete der eine oder andere größere Schein in der Büchse.
Was sind denn "Knubbel"?
Die Roten Funken sind ein Verein mit über 600 Mitgliedern. Da man diese nicht alle unter einen Hut bekommt, hat man die Funken in vier Abteilungen unterteilt - die so genannten "Knubbel". Sie treffen sich auch regelmäßig übers Jahr bei ihren Stammtischen - den "Knubbelabenden". Jeder Knubbel hat seine Eigenart und sein eigenes Symbol, das auf die alte Geschichte der Kölner Stadtsoldaten zurückgeht: Der "Streckstrump" (Strickstrumpf) erinnert daran, dass sich die ehemaligen Soldaten in Friedenszeiten was dazu verdienten, indem sie Strümpfe strickten. Auch "Öllich" (Zwiebel) versinnbildlicht Haushaltsdienste, die die Soldaten verrichteten mussten, um Geld in ihre Kassen zu bekommen. Der "Döpp" (Kreisel) war das Spielzeug, mit dem die alten Funken Kinder bespielten und der "Stoppen" (Korken) steht für die Trinkfreudigkeit der alten Stadtsoldaten.
Stadtsoldaten - Gespött der Kölner
Das war nämlich eine Truppe, die im Köln des späten 18. Jahrhunderts nicht sonderlich angesehen war. Sie sollten zwar die Stadt beschützen - aber vor wem? Kölns Stadtmauern waren stark und gut gesichert, die Soldaten eher nutzlose Tagelöhner, die mies bezahlt wurden und daher entwürdigende Nebenjobs annehmen mussten - wie Stricken und Kinderhüten. Sie waren das Gespött der Stadt - und weil sie eigentlich sonst nichts zu tun hatten, gingen sie dem "liederlichen Saufen beständig nach". Als die Franzosen im Jahr 1794 nach Köln kamen, waren die Stadtsoldaten denn auch zu nichts zu gebrauchen - sie nahmen Reißaus.
"Bewachung des Helden Carneval"
1823 schließlich setzten sich ein paar wichtige Männer zusammen und gründeten die Roten Funken - sie wollten den wilden Karneval von damals in eine Form bringen. In einem Zeitungsartikel vom 14. Februar 1824 heißt es dazu: "Zur Bewachung unseres Helden Carneval haben sich mehrere Fastnachtsfreunde vereint, eine Ehrenwache zu Fuß zu errichten." So marschierten im ersten Rosenmontagszug der Geschichte dann auch die ersten Roten Funken mit - in der Uniform der Stadtsoldaten, der sie bis heute treu geblieben sind: rote Uniformröcke, weiße Hosen und Gamaschen. Im Lauf ihrer Holzgewehre steckt ein rot-weißes Nelkensträußchen. Aus ihren schwarzen spitzen Helmen (dem "Laberdan") schauen die typisch preußischen Perücken hervor. Dass die Kleidung maßgeschneidert ist, versteht sich von selbst. Dass diese Uniformen unbezahlbar sind, ist eine Mär. Je nachdem welche Stoffe verwendet werden, sei man mit 1500 Euro "dicke dabei", sagt Günter Ebert.
Keine Frauen?
Frauen in Funken-Uniform sucht man normalerweise vergeblich. Es gibt zurzeit nur eine, die sie tragen darf - das ist die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker - und das nur, weil man in dieser Position automatisch zum Ehrenmitglied der Funken wird. Günter Ebert: "Wir sind die letzten, die irgendetwas Frauenfeindliches an uns haben. Aber - und das ist historisch belegt: Es gab bei den Stadtsoldaten nur eine einzige Frau. Und das war die Marketenderin. Und die hatte schon einen relativ zweifelhaften Ruf. Die war nämlich für die Belustigung der Herren zuständig." Und darum haben die Funken heute ihre "Marie" - die erste Gardetänzerin der Funken. Die übrigens früher auch von einem Mann dargestellt wurde. Bis die Nazis im Dritten Reich durchsetzten, dass eine Frau die Rolle der Marie übernimmt.
Für jeden den passenden Spitznamen
Fremdenfeindlich sehen sich die Funken auch nicht. In ihren Reihen gibt es mehrere Männer mit Migrationshintergrund. Der junge Architekt Kian ist erst vor kurzem vereidigt worden. Er ist persischer Herkunft, in Köln aufgewachsen und natürlich "ne echte kölsche Jung". Wie jeder Funk hat er einen passenden Spitznamen: "Korjänderche". Ein Funk aus der Dominikanischen Republik wird "Schokolädche" genannt. Funkin Henriette Reker hat den Spitznamen "Agrippina Courage" - weil sie den Mut hatte, trotz des Messerattentats auf sie als Oberbürgermeisterin anzutreten.
Und warum wird Helmut "Zaster" genannt? "Als ich mich bei den Funken vorgestellt habe", schildert er in breitestem kölschen Dialekt, "erzählte ich, dass ich bei der Post 30 Jahre lang Geldtransporter gefahren bin. Also heiße ich jetzt Zaster, obwohl ich gar kein Geld habe."