Gabriel schafft den Balanceakt
3. Februar 2017Manchmal ist das Timing entscheidend: Als Sigmar Gabriel sich auf den Weg in die USA aufmacht, ist der neue US-Außenminister Rex Tillerson erst wenige Stunden im Amt, und in Deutschland hält die Empörung über die ersten Entscheidungen der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump an.
Mit seinem Angebot der "ausgestreckten Hand" scheint der außenpolitische Novize Gabriel zu diesem Zeitpunkt aber ganz richtig zu liegen. "Wir sind die New Kids on the Block", sagt Gabriel zu Tillerson in Anspielung auf eine US-Boygroup in den 80ern, und schafft damit offensichtlich, das Eis zu brechen. Gabriel ist auch der erste ausländische Gast, den US-Vizepräsident Pence im Weißen Haus empfängt.
"Die New Kids on the Block"
Als offen und interessiert beschreibt Sigmar Gabriel seine Gesprächspartner. Dass Tillerson und Pence betonen, ein Interesse an einem starken Europa zu haben, das freut den deutschen Außenminister sichtlich. Dass sie die Bedeutung der NATO anerkennen, auch das ist aus seiner Sicht ein gutes Zeichen.
Werden sie aber einen mäßigenden Einfluss auf den US-Präsidenten haben? Der deutsche Außenminister wiegelt bei derartigen Fragen ab. Auch ihm ist klar, dass letztendlich Donald Trump die US-Außenpolitik bestimmen wird. Deren Eckpfeiler seien ohnehin noch unklar, sagt Gabriel. Aber es gehe darum, eine gute "Grundlage für weitere Gespräche" zu schaffen.
Deutschland als selbstbewusster Partner
Gabriels Botschaft ist verbindlich. Mit keiner anderen Region in der Welt außerhalb Europas sei Deutschland politisch und kulturell so eng verbunden, sagt er. "Ich bin gekommen, um zu demonstrieren, wie unverzichtbar die transatlantische Partnerschaft in so turbulenten Zeiten ist."
Als Partner will die deutsche Regierung aber selbstbewusst auftreten. Das hält Gabriel für wichtig. "Wir sind ein Land und ein Kontinent von großer wirtschaftlicher Stärke", sagt Gabriel bei einem Pressestatement im Regierungsviertel. "Wir haben etwas anzubieten für die transatlantische Partnerschaft."
Symbolischer Besuch der Kongressbibliothek
Kritik am US-Präsidenten äußert der deutsche Außenminister indes kaum - anders als in der Vergangenheit. Aber er versteht es, mit symbolischen Gesten seine Position deutlich zu machen - zum Beispiel bei einem Besuch in der Kongressbibliothek. Dort lässt er sich eine deutsche Übersetzung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zeigen.
Fast schon demonstrativ liest er daraus vor: "Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit." In der jetzigen Debatte finde er diese Worte sehr hilfreich, fügt Gabriel hinzu.
Für seine Generation hätten diese universellen Werte Amerika immer zu einem ganz besonderen Land gemacht, sagt Gabriel, das versuche er auch seinen amerikanischen Gästen zu erklären. Keine Sorge, fügt er hinzu, er verstehe es so zu tun, dass es nicht als Belehrung daherkomme.
US-Regierung schlägt erste Pflöcke ein
Als der deutsche Außenminister seinen Besuch dann in New York fortsetzt, zeigt sich noch einmal, wie gut das Timing war. Denn die neue US-Regierung schlägt außenpolitisch erste Pflöcke ein. Im Sicherheitsrat kritisiert die neue UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, das aggressive Verhalten Russlands im Ukraine-Konflikt und fordert vor der Aufhebung von Sanktionen die Rückgabe der annektierten Halbinsel Krim.
Fast gleichzeitig distanzieren sich die USA überraschend von Israels Siedlungspolitik. Und auch in der Iranpolitik wird der deutsche Außenminister mit einer neuen Entscheidung der US-Regierung konfrontiert. Als Reaktion auf den jüngsten Raketentest Irans beschließt das Weiße Haus neue Sanktionen.
Eine positive Bilanz
Gabriel äußert dafür Verständnis, weil er den Raketentest als einen Verstoß gegen alle einschlägigen UN-Resolutionen ansieht. Er warnt aber davor, die Sanktionen dürften keine Auswirkungen auf die Umsetzung des Atom-Abkommens mit dem Iran haben.
Als er seinen Rückflug antritt, muss der deutsche Außenminister weiterhin deutliche Meinungsunterschiede der Bundesregierung zu Präsident Trump einräumen - etwa in der Flüchtlingspolitik. Aber er zieht eine positive Bilanz. "Ich glaube, es war gut, frühzeitig herzukommen und jetzt eine gute Grundlage gelegt zu haben für die weiteren Gespräche." Manchmal ist das Timing eben entscheidend.