Chance für Europa
1. Juli 2016Eigentlich will Panos Skourletis (Artikelbild (r.) mit Sigmar Gabriel), Griechenlands Umwelt - und Energieminister, an diesem Freitagmorgen im noblen Hotel Hilton in Athen über die deutsch-griechische Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien sprechen. Aber jetzt ist es genau eine Woche her, dass Europa in eine Art Schockstarre verfiel, als feststand, dass Großbritannien die EU verlassen möchte. Und so sagt Skourletis von der linken griechischen Regierungspartei Syriza dann doch diesen Satz: "Die Austeritätspolitik ist damit endgültig Geschichte. Europa muss sich ändern."
"Die Sparpolitik ist jetzt Geschichte"
Austeritätspolitik, dieses Wort umschreibt den harten Reformweg, der den hochverschuldeten Griechen als Gegenleitung für die Stützungsmilliarden der internationalen Geldgeber, darunter der EU, in den letzten Jahren abverlangt wurde. Gerade Deutschland hatte sich damit in Athen den Ruf eines hartherzigen Sparkommissars erworben, aber davon ist nun hier in Athen wenig zu spüren.
Im Gegenteil: Für zwei Tage ist Sigmar Gabriel, Deutschlands Wirtschaftsminister, nach Athen gekommen, auch um mit Skourletis eine Konferenz über Energiepolitik zu eröffnen. Gabriel preist die Vorzüge von Wind - und Sonnenstrom, vor allem für die griechischen Inseln. Tatsächlich sind die Bedingungen dort sowohl für Sonnen - als auch für Windstrom ideal, aber von den rund 50 Inseln mit mehr als 1000 Einwohnern sind gerade mal 21 am Netz, 32 werden noch mit Dieselkraftwerken betrieben.
Schwerfällige Bürokratie
Deutsche Investoren könnten helfen, aber sie zögern oft noch. Gabriel dazu im Interview mit der DW: "Die Bürokratie ist zu schwerfällig, das Steuersystem wechselt ständig. Was Investoren wollen, sind berechenbare Rahmenbedingungen. Die muss die Regierung hier erst noch herstellen."
Auf der Konferenz preist Gabriel dann die erneuerbaren Energien als Chance für Europa. "Überall läuft die EU auseinander, bei den Erneuerbaren wächst immer mehr zusammen. Das Gasnetz wird immer enger geknüpft, Stromnetzte wachsen zusammen. Das ist doch einige riesige Chance."
Brexit als Gefahr für Investoren in der ganzen EU
Und der Brexit? Die griechischen Gesprächspartner, so hört man aus Gabriels Umgebung, machen sich vor allem Sorgen, dass die Investitionsbereitschaft allgemein in Europa abnimmt, weil die Zukunft der EU ungewiss ist. Aber immerhin: Mehr und mehr verstünden die Griechen, dass Investitionen vor allem aus dem privaten Sektor kommen müssten. Auch ein Grund, warum die Atmosphäre zwischen der deutschen und der griechischen Regierung sich verbessert hat.
"Sie ist jedenfalls deutlich besser als ihr Ruf, und das ist doch gut so", meint Gabriel. Und er versteht, wenn die Griechen sich ein sozialeres Europa wünschen: "Wenn Sie sich anschauen, wie viele Menschen in Europa zuletzt in Schwierigkeiten gekommen sind, weil wir ausschließlich über Wettbewerb geredet haben in Europa und nicht über die Schaffung von Arbeitsplätzen und über soziale Sicherheit, dann kann man das schon verstehen", so der Vizekanzler zur DW. Fragt sich nur, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel und vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble das genauso sehen wie der SPD-Vorsitzende.