G8-Gipfel
10. Juli 2009Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die weltweite Wirtschaftskrise vor allem die Ärmsten der Armen trifft, dann liegt er seit ein paar Tagen auch dem Tisch: Erstmals hungern nach UN-Angaben mehr als eine Milliarde Menschen auf der Welt. Diese Nachricht muss auch die G8-Staatenlenker aufgeschreckt haben - und so beschlossen sie am letzten Tag ihres Gipfels ein neues, milliardenschweres Hilfspaket für Bauern in den ärmsten Ländern: Neu daran ist, dass die 20 Milliarden US-Dollar nicht in Form von Nahrungsmitteln geschickt werden, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht sind: Die Landwirte sollen damit in die Lage versetzt werden, eine eigene Produktion auf die Beine zu stellen, statt mit Produkten aus dem Norden die lokalen Märkte des Südens kaputt zu machen.
Merkel zufrieden mit den Gipfel-Ergebnissen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete dies als eines von mehreren positiven Ergebnissen dieses Gipfels. Zwar hätten die Industrienationen die Krise zum größten Teil selbst verursacht, doch die Folgen hätten alle zu tragen. Vor allem aber müssten jetzt 100 Millionen Menschen mehr in Armut leben. Entsprechend größer sei die Verantwortung, die die Industrienationen jetzt hätten, so die Kanzlerin auf ihrer Abschluss-Pressekonferenz. "Deutschland wird dieser Verantwortung gerecht, sowohl im Bereich der Ernährungssicherung als auch im Bereich der Investitionen in die Infrastruktur nicht nachzulassen." Zugleich versprach Angela Merkel, die Leistungen für die Entwicklungshilfe nicht zu kürzen, sondern konstant halten, "und damit wenigstens ein Stück weit dieser schwierigen Entwicklung entgegen zu wirken."
"Die Armen der Welt haben nichts vom Gipfel"
Das sehen die Entwicklungshilfe-Organisationen freilich etwas anders. Für sie steht es fest: Die G8 werden ihre vor vier Jahren im schottischen Gleneagles gemachten Versprechen nicht einhalten - zum Beispiel bis zum kommenden Jahr zusätzlich 50 Milliarden Dollar für die armen Länder bereit zu stellen. Marvin Meier vom christlichen Hilfswerk World Vision kann dem 20-Milliarden-Dollar-Paket zwar einiges Positives abgewinnen. Denn das "Abwerfen von Reissäcken" sei noch nie eine richtige Strategie gewesen. Seine generelle Bilanz dieses Gipfels fällt aber deutlicher aus: "Die Armen der Welt haben von diesem Gipfel nichts."
Größtes G8-Treffen aller Zeiten
Und das, obwohl es der bislang größte Gipfel in der 34-jährigen Geschichte dieses einst exklusiven Zirkels war. Neben Industrie- und Schwellenländern waren am letzten Tag auch mehrere afrikanische Staatschefs zu Gast. Am runden Tisch in der Schule der italienischen Finanzpolizei in L'Aquila saßen am Ende 28 Staaten und Vertreter zahlreicher internationaler Organisationen. Die Themenpalette reichte von der Wirtschaftskrise über den Klimawandel bis hin zur Entwicklungspolitik. Auch über Konfliktherde wie Iran oder Nordkorea wurde gesprochen.
Für die deutsche Kanzlerin waren dies "sehr intensive, wichtige Tage mit dem gesamten Spektrum der globalen Probleme." Die Welt sei ein Stück weiter zusammengerückt. Ihr Fazit nach dem Treffen inmitten der italienischen Abruzzen, wo vor drei Monaten ein Erdbeben vieles zerstört hatte: "Kein Land auf der Welt kann heute alleine seine Probleme lösen. Wir sind alle auf ein gemeinsames Agieren angewiesen." Was sie gespürt habe in den vergangenen Tagen, sei die neue Art, wie die politischen Akteure zusammen arbeiten - "geprägt vom Geist des Respekts, der Freundschaft und dem unbedingten Willen, die Probleme gemeinsam zu lösen."
Zukunft der G8 ist ungewiss
Eben das macht aber auch klar: Die G8 sind nicht mehr das richtige Format für die Lösung drängender Probleme. Die Entscheidungsstrukturen müssen sich ändern - derzeit deutet vieles darauf hin, die Gruppe der 20 zu einem solchen Gremium zu machen. Das nächste Treffen der G20 Ende September in Pittsburgh könnte da schon eine Weichenstellung sein. Hingegen dürfte der G8-Gipfel im kommenden Jahr in der kanadischen Provinz Ontario eher bescheiden ausfallen - und nicht mehr sein als ein Vorbereitungstreffen zur Meinungsbildung.
Autor: Henrik Böhme, zzt. in L'Aquila
Redaktion: Insa Wrede