G7: Warten auf Donald Trump
26. November 2024Es war das letzte Treffen der G7, der Gruppe der sieben wichtigsten Demokratien der Welt, bevor der radikale Republikaner Donald Trump im Januar erneut das Präsidentenamt in den USA übernimmt. Die G7 wollte sich im italienischen Thermalbad Fiuggi fit machen für die zu erwartenden Konflikte, falls Präsident Trump ohne Rücksicht seine eigene Außenpolitik machen, die Europäer abkanzeln und Mitglieder der G7, wie jetzt für Kanada angekündigt, mit Strafzöllen belegen sollte.
Bislang, so die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, sei die Gruppe der sieben westlichen Demokratien eine international bewährtes Krisenteam gewesen. Bald, mit Donald Trump am Tisch, könnte sie selbst zur Krise werden. In seiner ersten Amtszeit hatten die übrigen Mitglieder - Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und die Europäische Union - bereits alle Mühe, den Arbeitskreis am Laufen zu halten. Und das bei einer noch deutlich entspannteren Weltlage.
Donald Trump torpedierte damals, wo er konnte, die "regelbasierte internationale Ordnung", die von der scheidenden deutschen Außenministerin noch einmal pflichtgemäß beschworen wurde.
Wie lange gelten amerikanische Zusagen?
Der ebenfalls ausscheidende amerikanische Außenminister Antony Blinken von den US-Demokraten konnte die Fragen seiner Kolleginnen und Kollegen zu möglichen außenpolitischen Themen seines Nachfolgers im State Department nur vage beantworten. "Unsere Länder stehen zusammen, mit unseren Partnern, gegen die andauernde russische Aggression gegen die Ukraine vorzugehen", war noch der konkreteste Satz, den Blinken sagen konnte. Aber wie lange gilt das Versprechen noch? Aus der US-Delegation kam vornehmlich die Versicherung, es werde schon nicht so schlimm werden, wie sich das im Wahlkampf der Trump-Truppe angehört habe.
Solche Beschwichtigungen wollte der am Samstag in Rente gehende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell jedenfalls nicht glauben. Europa behaupte, es müsse strategisch souverän sein, sagte er fast schon trotzig. Dann müsse doch jetzt gelten, "wir nehmen keine Befehle von Donald Trump entgegen."
Die Strafzölle, mit denen der gewählte Präsident den G7-Staaten, China und weiteren Wirtschaftsräumen droht, wies Borrell schon fast zornig zurück. "Das sind schlechte, ganz schlechte Nachrichten. Wenn jeder den anderen mit Zöllen und Gegenzöllen überzieht, dann gerät die Weltwirtschaft in eine schwere Krise. Ein neuer Handelskrieg hilft der Welt bestimmt nicht. Er schadet allen. Und den Amerikanern zuerst."
Ukraine-Hilfen in den Zeiten von Trump
Bereits bei ihrer Tagung im April auf Capri hatten die Außenministerinnen und Außenminister sich vorgenommen, zumindest die Finanz- und Militärhilfe für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer "Trump-sicher" zu machen. Donald Trump hatte angekündigt, die Ukraine-Hilfe der USA verringern oder stoppen zu wollen und den Krieg innerhalb von 24 Stunden mit einem "Deal" zu beenden.
Ob das so einfach gehen wird, hat inzwischen auch der designierte Sicherheitsberater im Weißen Haus, Mike Waltz, relativiert. Es müsse ein "verantwortungsvolles Ende des Krieges" geben, sagte er. Um sich gegen spontane Trumpsche Kapriolen abzusichern, haben es die G7 seit April immerhin geschafft, einen 50 Milliarden Dollar schweren Kredit für die Ukraine auf den Weg zu bringen. Er soll aus den Erträgen eingefrorener russischer Vermögen in Europa bedient werden. Die USA werden etwa 20 Milliarden Dollar der Kreditsumme garantieren. Aus dem Finanzpaket dürfte Donald Trump nicht so schnell aussteigen, denn es kostet ihn nichts: Zins und Tilgung stammen aus russischem Vermögen.
Die USA haben nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft bislang rund 85 Milliarden Dollar an Militärhilfe und Finanzhilfe für die Ukraine geleistet, seit Russland im Februar 2022 seine Offensive gestartet hat. Die EU als Institution sowie die jeweiligen europäische Staaten haben insgesamt 118 Milliarden Dollar gezahlt. Sollten die USA also wegfallen, kämen auf die übrigen Staaten enorme Lasten zu. Die amerikanischen Waffen ließen sich kurzfristig kaum ersetzen.
Von Diplomaten aus den G7-Delegationen war zu hören, niemand sei wirklich auf ein Szenario vorbereitet, wonach Trump aussteigen würde. Auch im Bundeshaushalt 2025, der nicht verabschiedet ist, sind für dieses Szenario keine Mittel vorgesehen. Angesichts der massiven russischen Luftangriffe und der stetigen Geländegewinne an der ostukrainischen Front bräuchte die Ukraine gerade jetzt mehr Hilfen anstelle von Diskussionen über vielleicht endende Lieferungen.
Ukraine braucht mehr Waffen statt Diskussionen
Der ukrainische Außenminister Andrej Sybiha war als Gast im italienischen Heilbad Fiuggi. Er schilderte der G7 die aktuelle Lage und den Bedarf in seinem Land. Die Möglichkeit, jetzt weiter reichende westliche Raketen und Marschflugkörper auch gegen Ziele in Russland einzusetzen, sei nützlich. Sie reiche aber nicht, um die neuen ballistischen Raketen abzuwehren, die Russland neuerdings völkerrechtswidrig auf die Ukraine abfeuert. Dafür wäre mehr hochmoderne Patriot-Flugabwehr aus US-Produktion notwendig. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock konnte immerhin ankündigen, dass zwei weitere IRIS-T-Abwehrsysteme kürzerer Reichweite bis zum Jahresende an die Ukraine geliefert werden sollen.
Nach dem Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister Andrej Sybiha bekräftigte die G7, dass man weiter zur Ukraine stehe und einen Frieden ohne russisches Diktat erreichen wolle. "Wir arbeiten für einen Frieden, aber einen gerechten Frieden", sagte der italienische Vorsitzende der Gruppe, Außenminister Antonio Tajani. "Gerechtigkeit bedeutet Freiheit für die Ukraine." Wie der Weg dahin aussehen soll, ließ Tajani offen. Klar war nur, dass es wenig Appetit gibt, die von der Ukraine angeregte zweite große Friedenskonferenz einzuberufen. Das habe erst Sinn, wenn es Aussichten auf echte Verhandlungen mit Russland aus einer Position der Stärke heraus gäbe, sagten Diplomaten am Rande des Treffens.
Abwarten und einig sein?
Unterm Strich wollen die Außenministerinnen und Außenminister aus Kanada, Japan und Europa erst einmal abwarten, welchen Kurs die Trump-Administration tatsächlich einschlagen wird. Die einzige Antwort auf Alleingänge der USA und schädliche Entscheidungen aus dem Weißen Haus könne Geschlossenheit sein.
Das forderte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die aller Voraussicht nach nicht mehr an den G7-Treffen unter kanadischer Präsidentschaft im kommenden Jahr teilnehmen wird. Im Februar wird in Deutschland gewählt. Das Außenamt könnte einer anderen Partei als Bündnis90/Die Grünen zufallen. Baerbocks kurze Vermächtnisformel lautete in Fiuggi: "Wenn die 'America first' machen, dann müssen wir 'Europe United' antworten." Also eine Gruppe der sechs, ohne die USA?