G20: Warum Hamburg Gipfel kann
6. Juli 2017Nun also Hamburg. Ein Gipfel mitten in einer Millionenstadt. Eine Stadt, die gerade dabei ist, dem ach so hippen Berlin und dem ach so smarten München den Rang abzulaufen. Eine Stadt, die immer schon etwas Besonderes war - und bis heute ist: Das "Freie" im offiziellen Namen der Stadt (Freie und Hansestadt Hamburg) steht da nicht umsonst. Es steht für Unabhängigkeit, Freiheit, und ja: freier Handel. Das hat die Stadt reich und groß gemacht. Die "Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg" gibt es bis heute - seit 500 Jahren. Kaufleute, die keine 'Dealmaker' sind, aber weltoffen und welche, bei denen ein Handschlag noch heute etwas gilt.
Der Hafen
Hamburg, das ist zuallererst der Hafen, Deutschlands "Tor zur Welt". Ob per Auto oder mit dem Zug: Wenn man von Süden kommt, dann ist man immer wieder angetan von diesem gigantischen Ballett der Krananlagen, von den Riesenpötten an den Kaimauern. Auch wenn der Hafen im Weltkonzert mittlerweile nicht mehr die erste Geige spielt, er gibt Zehntausenden Menschen Arbeit, er sorgt immer wieder für Streit, weil die Einfahrt immer tiefer ausgebaggert werden soll für die Mega-Container-Riesen, aber die Umweltschützer sich um die negativen Auswirkungen sorgen. Der klassische, alte Konflikt: Ökonomie versus Ökologie - hier ist er anfassbar, sichtbar, greifbar.
Die Neuen
Aber Hamburg, das ist nicht mehr nur Hafen und Kaufmann. In Hamburg - und eben nicht in Berlin oder München - haben Google und Facebook ihre Deutschland-Zentralen und demnächst auch die Snapchat-Mutter Snap. In Hamburg gibt es pro Kopf gerechnet mehr Unternehmensgründungen als in Berlin, das sich immer so gern als Startup-Hauptstadt Deutschlands verkauft. Hamburg macht eben bloß nicht so ein Bohei drum. Man nennt das hanseatische Gelassenheit, und die bemerkt man auch, wenn man mit Olaf Scholz spricht.
Der Herr Scholz
Der Sozialdemokrat, der mal drei Jahre Arbeitsminister in der Großen Koalition war, ist seit sechs Jahren Erster Bürgermeister von Hamburg. Als im Februar 2016 sein Telefon klingelte und die Bundeskanzlerin am anderen Ende der Leitung ihn fragte: "Will Hamburg den G20-Gipfel ausrichten?", da habe er sofort und ohne zu Zögern "Ja" gesagt. Und auch jetzt, wo Hamburg geradezu vibriert angesichts des gigantischen Aufwandes für die nach Zehntausenden zählenden Teilnehmer eines Weltereignisses, da sagt Scholz cool: "Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist."
Die Proteste
Dem stimmen freilich nicht alle zu, denn natürlich bringt so eine Mega-Event eine Menge Unannehmlichkeiten mit sich: Straßen sind weiträumig gesperrt, das Verkehrschaos wird stündlich chaotischer, der Nahverkehr ist gestört, Geschäfte geschlossen. Demonstrationen friedlicher Natur mit ehrlichem Anliegen und Chaoten, die ihren Straßenkampf gegen die Staatsgewalt wollten. Dies alles muss eine Stadt wie Hamburg verkraften, und da ist es womöglich bei manchem mit der Gelassenheit vorbei. Aber andererseits: Hamburg steht an den kommenden drei Tagen im Fokus der Medien aus aller Welt, und weil es neben den Bildern von den Protesten auch viele andere Bilder geben wird, zum Beispiel von der Elbphilharmonie, die nun wirklich weltbekannt wird, wird die Stadt auf lange Sicht davon profitieren.
Die "Elphi"
Wo wir wieder bei den "Ehrbaren Hamburger Kaufleuten" sind. 300 Jahre ist es her, da bauten sie sich am Gänsemarkt ihr eigenes Opernhaus. Drei Jahrhunderte später waren sie es, von denen die Initiative für die Elbphilharmonie ausging. Mit 70 Millionen steuerten sie ein ordentliches Startkapital bei. Dass der Bau am Ende zehnmal so teuer wurde - nun denn. Längst haben die Hamburger die "Elphi" in ihr Herz geschlossen, gerade wurde auf der Aussichtsplattform der zweieinhalbmillionste Besucher gezählt - nach gerade mal einem halben Jahr. Und Eintrittskarten für Konzerte sind nach wie vor kaum zu haben, so begehrt sind sie. Jetzt erlebt der faszinierende Bau eine Art Weltpremiere, wenn die G20-Führer sich erst zum Familienfoto neben dem Konzerthaus einfinden und anschließend auf Einladung der Kanzlerin Beethovens Neunter Sinfonie lauschen.
Die Zukunft
Es heißt, Hamburg solle brennen, es werde krachen. Denen, die Molotow-Cocktails schmeißen, ist es egal, wo sie gerade sind und wogegen es geht. Anders der kreative Protest, der in diesen Tagen auch zu erleben ist. Das zeigt, welche besondere Stadt Hamburg ist, mit besonderen Menschen. Hamburg wird diese Gipfeltage überstehen, soviel ist sicher. Es hat 1962 eine Sturmflut überstanden, damals begann die politische Karriere eines Mannes namens Helmut Schmidt. Und vielleicht, wer weiß: Vielleicht ist der Gipfel die Startrampe für Olaf Scholz. Die SPD kann gute Leute immer gebrauchen. Wer Hamburg kann, der kann auch mehr.