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Prüfstand oder Pranger?

16. April 2011

Prüfstand oder Pranger? Die Finanzminister der G20 einigen sich in Washington darauf, sieben Länder genauer unter die Lupe zu nehmen, die für die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft verantwortlich gemacht werden.

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Finanzminister und Notenbankgouverneure haben sich am Freitag, den 15. April 2011 im Atrium des IWF-Hauptquartier in Washington zu einem Gruppenfoto versammelt. (Foto: DW TV)
Die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G20 in WashingtonBild: DW-TV

Die in der Gruppe der 20 zusammengeschlossenen Industrie- und Schwellenländer wollen ernst machen mit dem Abbau der globalen Ungleichgewichte zwischen den Wirtschaftsmächten, die mit als Auslöser der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise gelten. Unter dem Vorsitz der französischen Finanzministerin Christine Lagarde einigten sich die G20 auf ein Verfahren, auf dessen Basis einzelne Länder überprüft und ihnen Handlungsempfehlungen gegeben werden. Das gab die sichtlich gelöst wirkende Lagarde am Freitag (15.04.2011) in Washington nach einem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte bekannt.

Deutschland auf dem Prüfstand?

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am 15.April 2011 in Washington vor dem Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure (Foto: DW TV)
Finanzminister Schäuble: "Wir können systemische Risiken vermeiden"Bild: DW-TV

Welche G20-Länder unter die Lupe genommen werden, wurde zunächst offen gelassen. Es wird aber erwartet, dass auch Deutschland angesichts seiner Handelsüberschüsse auf den Prüfstand kommt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte jedenfalls am Rande des Treffens, es würde ihn nicht wundern, wenn Deutschland unter den sieben Ländern wäre.

Für diesen Fall gäbe es aber gute Verteidigungsargumente, sagte Schäuble. Die Überschüsse Deutschlands seien der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geschuldet und nicht die Folge einer Abwertung des Euros. Und wenn man den Euroraum als Ganzes nehme, dann sorge Deutschland mit seinen Überschüssen für eine ausgeglichene Handelsbilanz in der Währungsgemeinschaft.

Die Dynamik der G20 erhalten

Finanzministerin Christine Lagarde (Foto: dapd)
Finanzministerin Christine Lagarde: "Ein voller Erfolg"Bild: AP

Zu den weiteren Kandidaten zählen die üblichen Verdächtigen: China, Japan und die USA. Im Februar hatten sich die G20 in Paris zunächst auf Indikatoren verständigt, an denen Ungleichgewichte fest gemacht werden. Dazu gehören neben Defiziten oder Überschüssen in der Handels- und Kapitalbilanz die Staatsschulden und öffentlichen Defizite sowie die private Sparquote und Verschuldung eines Landes.

Demnach sollen die Bilanzen künftig überwacht und Maßnahmen zum Gegensteuern ergriffen werden, wenn Ungleichgewichte in Bereichen wie Außenhandel oder Staatsschulden übermäßig anwachsen. Frankreichs Finanzministerin Lagarde sagte, die Einigung sei ein bedeutender Erfolg. Dadurch werde die Dynamik zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft und zur Verhinderung künftiger Finanzkrisen erhalten.

Krise nicht ausgestanden

Der zum Endes des Monats April aus dem Amt scheidende Bundesbankpräsident Axel Weber informiert am Freitag, den 15. April 2011 die Presse in Washington über das G20-Finanzministertreffen (Foto: DW TV)
Bundesbankpräsident Axel Weber: "Die Krise ist nicht ausgestanden"Bild: DW-TV

Im heimischen Bankensektor gibt es nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble keine existenziellen Gefahren mehr. "In Deutschland haben wir keine Risiken, die nicht beherrschbar wären. Wir sind in der Lage, systemische Risiken zu vermeiden", sagte Schäuble. Sollte der neue Stresstest unter Europas Banken für das eine oder andere der 13 daran beteiligten deutschen Institute einen zusätzlichen Kapitalbedarf ergeben, so könnte der durch die Eigentümer gedeckt werden.

Auch der aus dem Amt scheidende Bundesbankpräsident Axel Weber wies darauf hin, dass Deutschland mit dem seit 1. Januar geltenden Banken-Restrukturierungsgesetz eine Möglichkeit habe, Rückwirkungen eines Bankversagens auf das gesamte Bankensystem zu minimieren. Allerdings erinnerte der scheidende Bundesbankpräsident auch daran, dass die Finanzkrise mit ihren Folgen noch immer nicht völlig überwunden sei: "Die Institute sind immer noch anfällig für Schocks. Wir sind im Jahr vier der Krise. Wir sind noch nicht im Jahr eins nach der Krise." Man solle sich nicht der Illusion hingeben, dass die Krise schon aufgearbeitet sei.

Autor: Rolf Wenkel, Washington

Redaktion: Dirk Eckert