Fotos, die bewegen
3. Mai 2021Prinzessin Leia zieht in den Kampf gegen die Truppen von Darth Vader. Mit etwas Fantasie könnte dies eine Szene aus einem Krieg-der Sterne-Film sein. Dies ist aber nicht Alderaan, sondern Belarus. Zehntausende Menschen protestierten dort 2020 friedlich gegen Machthaber Alexander Lukaschenko - viele Teilnehmerinnen in weißen Kleidern. Lukaschenko ließ die Demonstrationen regelmäßig niederschlagen. Die Frau auf dem Foto hat als besonders starkes Zeichen gegen die Gewalt ein Brautkleid angezogen. Der Kontrast könnte kaum größer sein.
Umklammern für die Freiheit
Egal ob die Demonstrantinnen weiß oder rot tragen, sie fallen in jedem Fall auf vor den martialisch gekleideten belarussischen Sicherheitskräften. Auch diese junge Frau protestiert gegen Machthaber Lukaschenko. Statt auf ein Brautkleid setzt sie auf Körperkontakt - und umarmt diesen augenscheinlich noch recht jungen Soldaten. Während sie mit Herzblut und vollem Körpereinsatz für Frieden und Freiheit demonstriert, scheint der Soldat nicht so recht zu wissen, wie er mit der Situation umgehen soll. Beide symbolisch starke Bilder sind der belarussischen Fotografin Violetta Savchits gelungen.
Hand aufs Schild
Friedliche Demonstranten gegen martialisch wirkende Sicherheitskräfte. Wir wechseln nur das Land, bleiben aber beim Thema. Hier demonstrieren Menschen in Istanbul für ihre Rechte. Die Demonstranten gehen mit der flachen Hand auf Tuchfühlung zu den Plexiglasschildern der türkischen Polizei. In der Türkei geraten nicht nur Demonstranten, sondern auch viele Journalisten politisch unter Druck. Der Fotograf Yasin Akgül stellt sich der Herausforderung. Dabei gelingen ihm eindrucksvolle Fotos wie dieses. Warum die starken Fotos jedoch auch Schlechtes bewirken können, lässt sich am folgenden Bild zeigen.
Unspektakuläres Bild - ungeahnte Auswirkungen
Wenn nicht der Mann in Uniform dort stehen würde, könnte es auch ein Urlaubsfoto sein, auf dem ein Paar am Urlaubshotel ankommt und der Hotelmitarbeiter auf das Gepäck wartet. Aber weit gefehlt: Es zeigt den "Cumhuriyet"-Journalisten Kadri Gürsel, der wegen seiner journalistischen Arbeit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, bei seiner Haftentlassung. Seine Frau empfing ihn am Gefängnistor und beide fielen sich in die Arme. Das Foto berührte so viele Menschen in der Türkei so tief, dass die Behörden reagiert haben. "Seitdem werden Häftlinge nicht mehr vor dem Gefängnistor freigelassen, (…) sondern auf einer abgelegenen Autobahnraststätte", sagt Fotograf Yasin Akgül. Und weiter: "Das ist die Kehrseite dieses erfolgreichen Bildes."
Tod ohne Abschied
Mehr als 400.000 Menschen sind in Brasilien an oder mit COVID-19 gestorben. Damit ist Brasilien nach den USA das Land, das die meisten Toten auf Grund der Corona-Pandemie zu beklagen hat. Und was macht Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro? Er spielt die Krise runter, spricht von einer leichten Grippe und ergreift kaum Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Das Ergebnis lässt sich auf Massengräbern wie diesem auf dem Friedhof São Luiz am Rand von São Paulo sehen. Beerdigungen werden zur einsamen, sterilen Routine; Trauernde haben keinerlei Möglichkeit mehr, sich von den Verstorbenen zu verabschieden.
Brücke über dem Kopf
Gegen Corona schützen können sich auch diese Obdachlosen in São Paulo wohl kaum. Nur eine dünne Decke trennt sie vom harten Pflaster. Drumherum fahren Autos. Zumindest haben sie mit der Brücke eine Art Dach über dem Kopf. Auch diese Aufnahme stammt vom Fotografen Lalo de Almeida, der mit seinen Fotos auf die große soziale Krise in dem 200-Millionen-Einwohner-Land aufmerksam machen möchte. Er fotografiert Menschen, deren größtes Problem nicht Mundschutz und Hygiene sind, sondern ausreichend Essen für sich und ihre Kinder zu finden. Das Graffiti an dem Brückenpfeiler, das Bolsonaro als Marionette Donald Trumps zeigt, dürfte die Obdachlosen kaum erheitern.
Gefährlich schlafen
Wie sich doch die Bilder ähneln. Statt unter einer Brücke, schlafen die Menschen hier unter einer Zapfsäule. Moria auf der griechischen Insel Lesbos war das größte Flüchtlingscamp der Europäischen Union - bis es durch ein Großfeuer im September 2020 zerstört wurde. Die Lage für die Geflüchteten war in dem überfüllten Lager ohnehin wenig menschenwürdig. Nach dem Brand hatten die Geflüchteten gar nichts mehr und mussten auf offener Straße - oder eben unter dem Dach einer Tankstelle - schlafen. Die Perspektive für diese Menschen, die oft nur eine geringe Chance auf Asyl haben, ist alles andere als gut.
Mit kleinen Schritten in ein besseres Leben?
Da zu der ohnehin schlechten Lage der Flüchtlinge auf der Insel Lesbos auch noch das Coronavirus kam, wurden einige der gut 12.000 Geflüchteten auf das Festland gebracht. So auch das kleine Mädchen, das am Hafen von Piräus bei Athen zu einem Bus geht. Die beiden eindrucksvollen Fotos aus Griechenland hat die Fotografin Louisa Gouliamaki gemacht.
Schlechter wohnen
Dies waren mal Wohnhäuser - vor dem Krieg. Heute ist es kaum vorstellbar, dass hier noch immer Menschen wohnen können. Diese Gebäude stehen in der Altstadt von Bengasi im Osten Libyens. Nach dem Sturz des langjährige Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 folgten neun Jahre Bürgerkrieg. Dementsprechend sieht auch die Infrastruktur des Landes aus, die der irische Fotojournalist Ivor Prickett auf seinen Fotos zeigt.
Zuckerwatte oder Popcorn?
Dieser Süßigkeitenstand auf dem Märtyrerplatz im Zentrum der libyschen Stadt Tripolis wirkt beinahe surreal. Zuckerwatte oder Popcorn? So lautet hier die Frage, die scheinbar unwichtigste Frage in einem von Bürgerkrieg, Tod und Zerstörung gebeutelten Land. Aber sie bringt auch etwas Normalität mit sich. Manch seelische Wunden lassen sich mit Klebrig-Süßem schließen - zumindest für eine gewisse Zeit. Auch dieses Foto stammt von Ivor Prickett, der nach 2011 nun Libyen das zweite Mal besucht hat. Alle Fotos stammen aus dem Bildband "Fotos für die Pressefreiheit 2021" von "Reporter ohne Grenzen".