Fünf Ängste vor Genmais
24. April 2014Warnungen vor Gesundheitsrisiken, Flugblätter, auf denen von riesigen Umweltschäden die Rede ist, oder Plakate mit Maiskolben, die gruselige Grimassen schneiden: Die Diskussion um Grüne Gentechnik wird vor allem von Ängsten beherrscht. Deutsche Verbraucher lehnen laut einer Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace mehrheitlich den Anbau der gentechnischen veränderten Maissorte 1507 ab. Dieser Mais soll europaweit für den Anbau zugelassen werden. Wir gehen möglichen Ängsten auf den Grund und überprüfen Fragen, die in diesem Zusammenhang regelmäßig aufkommen:
Nein, macht er nicht. Eine der größten Sorgen, dass der Verzehr von gentechnisch verändertem Mais krankmachen könnte, ist unbegründet. Der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube beruhigt - ihm sei "keine wissenschaftliche Studie bekannt, die eine gesundheitliche Gefährdung belegt." Außerdem wird der überwiegende Teil des Maises laut Deutschem Bauernverband als Futtermittel für Milchkühe produziert, der Rest dient der Energiegewinnung und landet in Biogasanlagen. Großflächig angebauter Mais kommt demnach nicht auf die Teller der Verbraucher.
Dass auch der Umweg über die Kuhmilch ausgeschlossen werden kann, hat die Technische Universität München im Jahr 2008 nachgewiesen. In einer zweijährigen Studie wurden Rinder mit dem gentechnisch veränderten Mais MON810 gefüttert, bei dem ebenso wie bei der aktuell diskutierten Maissorte 1507 Gene des Bakteriums bacillus thuringensis (Bt) ins Erbgut eingeschleust wurden. Die Forscher konnten weder Erkrankungen der Kühe feststellen, noch Spuren des Bt-Maises in der Milch finden.
Ja, er kann für Schädlinge, aber auch für andere Insekten gefährlich werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die Maissorte 1507 unter anderem daraufhin untersucht, ob der per Gentechnik erzeugte Insektenschutz auch andere Tiere, außer Maisschädlinge, gefährdet. Die EU-Behörde stützt ihre Aussagen dabei auf Gutachten, die sie aus den Mitgliedstaaten erhält, beispielsweise vom deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Demnach enthalten vor allem die Pollen des Maises hohe Konzentrationen des selbstproduzierten Schädlingsbekämpfungsmittels. Dieses tötet erfolgreich den schädlichen Maiszünsler, aber auch einen artverwandten Schmetterling: die für den Mais ungefährliche Wachsmotte. Greenpeace wirft der EFSA vor, die negativen Auswirkungen der Bt-Proteine auf andere Insektenarten "nicht ausreichend untersucht" zu haben.
Für Bienen sehen Forscher derzeit keine Bedrohung durch den Bt-Mais. Tierökologen der Universität Würzburg haben mögliche Effekte von Bt-Maispollen auf Honigbienen und ihre Larven untersucht. Dabei konnten sie keine negativen Auswirkungen feststellen. Jedoch kann dieser Pollen in den Honig gelangen, den die Bienen produzieren. Honig, der aus den Blüten gentechnisch veränderter Pflanzen gewonnen wurde, darf nicht mehr als Bio-Honig verkauft werden.
Ganz klar ist das noch nicht. Die Maispflanze ist eine Kulturpflanze und wächst hauptsächlich in sonnigen und warmen Weltregionen. Sie kommt ursprünglich aus Mexiko. In Deutschland kann sich Mais - egal ob gentechnisch verändert oder nicht - außerhalb von Ackerflächen nicht selbstständig ausbreiten. Denn hier gibt es keine heimischen Pflanzen, mit denen sich der Mais erfolgreich kreuzen könnte.
Außerdem ist Mais nicht in der Lage einen Winter zu überleben. Der Agrarwissenschaftler Rüdiger Graß von der Universität Kassel gibt allerdings zu bedenken: "Wenn wir wie dieses Jahr einen sehr milden Winter haben, können auf dem Feld verbliebene Maiskörner erneut auskeimen." Darüber hinaus wären Körner unter der Erdoberfläche, beispielsweise durch Bodenbearbeitung nach einer Ernte, zusätzlich vor Frost geschützt.
Alle Pflanzen wirken sich auf ihre Umwelt und den Boden aus, da sei der gentechnisch veränderte Mais weder eine Ausnahme noch eine größere Gefahr, so Rüdiger Graß weiter. "Maispollen, die in Bäche und Flüsse geweht werden, dienen aber als Nahrungsgrundlage für kleinere Tiere." Welche Auswirkungen Bt-Maispollen haben, sei noch nicht abschließend untersucht.
Schon möglich. In Deutschland wird auf etwa 2,5 Millionen Hektar Mais angebaut - das ist knapp ein Fünftel der gesamten deutschen Ackerfläche. Europaweit gibt es über 500 Maissorten und Kreuzungen.
Wildschweine, Bienen und andere Tiere können zu einer Vermischung beitragen, sagt Pflanzenforscher Rüdiger Graß, der allerdings den Pollenflug für das größte Risiko hält: "Im Gentechnik-Gesetz wird von verschiedenen Mindestabständen zwischen den Feldern gesprochen. Dabei kann niemand seriös beantworten, welcher Abstand sicher ist." Ob Maispollen 100 oder 1000 Meter fliegen, so der Agrarwissenschaftler, hänge unter anderem von Windstärke und Lufttemperatur ab - und habe nichts mit der Maissorte zu tun.
Ansichtssache. "Eine gesunde Skepsis ist immer angemessen", meint Friedhelm Taube von der Universität Kiel zu den Vorbehalten der deutschen Verbraucher gegenüber gentechnisch verändertem Mais. Taube hat sich auch mit der ethischen Komponente von Grüner Gentechnik beschäftigt. Er fügt hinzu: "Gleichzeitig ist es notwendig, dass die ganze Debatte wieder eine sachliche Fokussierung bekommt". Gerade im Agrarsektor würde unseriösen Publikationen von Umweltschutzorganisationen mehr Glauben geschenkt als tatsächlichen wissenschaftlichen Expertisen.
Die Sorgen der Verbraucher sollten ernst genommen werden. Emotionale Aspekte scheinen in der Debatte um gentechnisch veränderten Mais allerdings eine sehr große Rolle zu spielen. Deshalb wäre eine rationale Diskussion Grundvoraussetzung für die realistische Abwägung der Vor- und Nachteile.