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Führt eine Störung der Mitochondrien zu Long COVID?

10. August 2023

Stört COVID-19 die Kraftwerke unserer Zellen, erholt sich nur die Lunge, nicht aber Herz und andere Organe. Eine Studie eröffnet neue Behandlungsansätze.

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Ein Mann auf dem Laufband in einer Klinik für Long-COVID-Patienten
Die Infektion ist überstanden, aber die Folgen von Long COVID macht vielen noch lange zu schaffenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Die Pandemie ist vorbei, aber Long COVID bleibt. Und nach wie vor ist unklar, wieso das SARS-CoV-2-Virus bei vielen Menschen so negative Langzeitfolgen verursacht hat. Nun glaubt ein Forschungskonsortium herausgefunden zu haben, dass das Virus die Mitochondrien, die Energieproduzenten unserer Zellen, negativ beeinflusst, was zu Funktionsstörungen in anderen Organen über die Lunge hinaus führen kann.

Denn während sich die mitochondriale Funktion in der Lunge im Laufe der Zeit erholte, können sich die Mitochondrien im Herzen und in anderen Organen nicht erholen. Das führt zu langfristigen Schäden und könnte die schädlichen Auswirkungen von "Long COVID" erklären.

Was sind Mitochondrien?

Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen, sie befinden sich in jeder Körperzelle und bilden ein Netzwerk, das die Zellen mit der nötigen Energie versorgt. Die für die Bildung der Mitochondrien verantwortlichen Gene sind sowohl auf die Kern-DNA im Zellkern als auch auf die mitochondriale DNA (mtDNA) in den einzelnen Mitochondrien verteilt. Von früheren Studien wissen wir, dass SARS-CoV-2-Proteine an mitochondriale Proteine in den Wirtszellen ankoppeln können, was möglicherweise zu einer mitochondrialen Dysfunktion führt.

Mitochondrien unter dem Lichtmikroskop 100:1 vergrößert
Mitochondrien bilden ein Netzwerk, das die Zellen mit der nötigen Energie versorgtBild: Dr.Gary Gaugler/OKAPIA/picture-alliance

Die unter der Leitung eines Teams des Children's Hospital of Philadelphia (CHOP) und des COVID-19 International Research Team (COV-IRT) zusammengetragenen Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift "Science Translational Medicine" veröffentlicht und legen neue Ansätze für die Behandlung von COVID-19 nahe, sodass es gar nicht zu Long COVID kommt.

"Anhand der Gewebeproben von menschlichen Patienten konnten wir untersuchen, wie die zu Beginn und am Ende des Krankheitsverlaufs beeinflusst wurde, während wir anhand von Tiermodellen die Lücken füllen und das Fortschreiten der Genexpressionsunterschiede im Laufe der Zeit untersuchen konnten", so der Erstautor der Studie, Dr. Joseph Guarnieri vom CHOP.

Eine mitochondriale Genexpression bezeichnet einen Prozess während der Energiegewinnung, in dem verschiedene Faktoren die Proteinbildung bei der Zellatmung regulieren. Störungen in diesem Prozess werden etwa mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Erkrankungen des Nervensystems in Verbindung gebracht.

Nur die Lunge erholt sich

Die Studie ergab, dass sich die mitochondriale Funktion in der Lunge bereits in der mittleren Phase der SARS-CoV-2-Infektion erholte, während die mitochondriale Funktion im Herzen sowie in den Nieren und der Leber weiterhin unterdrückt war. Während die mitochondriale Funktion in der Lunge also im Laufe der Zeit wiederhergestellt wird, bleibt sie in anderen Organen, insbesondere im Herzen, beeinträchtigt.

"Diese Studie liefert uns eindeutige Beweise dafür, dass wir COVID-19 nicht länger als eine reine Erkrankung der oberen Atemwege betrachten sollten, sondern als eine systemische Erkrankung, die sich auf mehrere Organe auswirkt", sagte Co-Autor Dr. Douglas C. Wallace, Direktor des Center for Mitochondrial and Epigenomic Medicine am CHOP.

Wie fühlt sich ein an Long Covid Erkrankter?

Neue Behandlungsansätze

Möglicherweise ergeben sich aus diesen Erkenntnissen neue Ansätze für die Behandlung von COVID-19. Dabei könnte das Gen microRNA 2392 (miR-2392) von zentraler Bedeutung sein. Denn miR-2392 spielt eine Schlüsselrolle bei der Unterdrückung der mitochondrialen Genexpression  und verstärkt unter anderem Entzündungen, den Sauerstoffmangel in den Geweben und andere typische Corona-Symptome. Zudem ist miR-2392 nur im Blut und Urin von COVID-19-positiven Patienten vorhanden, nicht aber bei COVID-19-negativen Patienten.

Die neuen Erkenntnisse könnten also helfen ein antivirales Therapeutikum auf miRNA-Basis zu entwickeln, das genau auf diese miR-2392 abzielt. "Die Neutralisierung dieser microRNA könnte die Replikation des Virus hemmen und damit eine zusätzliche therapeutische Option für Patienten bieten, die ein Risiko für schwerwiegendere Komplikationen im Zusammenhang mit der Krankheit haben", so der Mitautor der Studie Dr. Afshin Beheshti, der Präsident von COV-IRT. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund