Fußball-Deutschland: oben Boom, unten Pleite
26. Januar 2013Fußball in Deutschland, das sind volle Stadien, gutes spielerisches Niveau und solide Finanzen. Fußball in Deutschland, das sind aber auch drückende Schuldenlast, der buchstäbliche Kampf ums Überleben und leere Ränge. An Tabellenplätzen gemessen sind die Bundesliga und die 3. Liga nicht weit voneinander entfernt – gemeinsam mit der 2. Bundesliga bilden sie den Profifußball in Deutschland. Sportlich und vor allem finanziell aber bewegt man sich in zwei völlig verschiedenen Welten: Die Bundesliga glänzt mal wieder mit Rekordzahlen, sie boomt. Allen voran steht Branchenführer Bayern München. Im Ranking der umsatzstärksten Fußball-Clubs der Welt nimmt der deutsche Rekordmeister aktuell die vierte Stelle ein. Die Vereine der 3. Liga können derweil von Umsatzrekorden nicht einmal träumen.
Die Bundesliga ist jetzt erstmals ein Zwei-Milliarden-Geschäft geworden. Die 18 Proficlubs erwirtschafteten in der Saison 2011/2012 insgesamt 2,081 Milliarden Euro und sorgten damit zum achten Mal in Serie für einen Umsatzrekord. "Die Clubs und die Liga dürfen durchaus etwas stolz darauf sein, was sie in den letzten Jahren geleistet haben", sagte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL).
Armenhaus des deutschen Fußballs
In Liga drei steht dagegen mehreren Clubs das Wasser bis zum Hals. Angesichts der prekären Lage befasst sich die Deutsche Fußball Liga bereits mit der Planung lebenserhaltender Maßnahmen für ihren vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verwalteten Unterbau. "Mit dem neuen TV-Vertrag wird der Abstand zwischen der 2. und der 3. Liga noch größer werden", sagte Seifert, ohne die Bundesliga zu erwähnen, die – gefühlt – noch einmal Lichtjahre entfernt ist.
Die Einnahmen der Vereine im Fußball-Oberhaus verteilen sich auf drei stabile Säulen: Werbung (553 Millionen Euro), mediale Verwertung (546) und Erlöse aus dem Ticketverkauf (440). Das Oberhaus erlebt auch dank des von der Saison 2013/2014 an gültigen Rekord-Fernsehvertrags (2013 bis 2017) sonnige Zeiten, für die Clubs in der dritten Liga geht es oft ums nackte Überleben.
Bundesliga-Tradition im Absturz
Schon mittendrin in der Zahlungsunfähigkeit ist Ex-Pokalfinalist Alemannia Aachen. Liga-Primus VfL Osnabrück konnte die Insolvenz vor Monatsfrist nur durch Millionen-Darlehen der Stadt abwenden, und bei Hansa Rostock gab die von Millionen-Schulden geplagte Führung zuletzt Garantie-Erklärungen auch nur noch für die laufende Spielzeit ab. Überhaupt ist die Spielklasse ein Sammelbecken ehemaliger Bundesligisten: Sage und schreibe zehn der zwanzig Drittligisten spielten einst in der deutschen Eliteliga – ein trauriges Bild.
Die Ursachen für die Misere sind vielfältig – aber oft auch hausgemacht: Überdimensionierte Stadionprojekte, völlig aus dem Ruder gelaufene Folgekosten, Management-Fehler und überhöhte Spieler-Gehälter. Hinzu kommen die schon im Vergleich zur 2. Liga drastisch sinkenden Einnahmen aus der TV-Vermarktung: Während die 36 Klubs in den beiden DFL-Ligen bald noch viel mehr als die derzeit 600 Millionen Euro unter sich verteilen dürfen, müssen die 20 Vereine in der 3. Liga mit gerade einmal insgesamt 14 Millionen Euro auskommen. Der Umsatz aller Klubs betrug in der letzten Spielzeit wenig mehr als 100 Millionen Euro, nicht einmal ein Drittel des Umsatzes der 2. Liga. Die Schere geht immer weiter auseinander und eine Besserung ist mittelfristig kaum zu erwarten.
Abhilfe muss her
Schon vor Beginn der laufenden Saison schlugen viele Klubs Alarm. "Wirtschaftlich ist das Überleben in der 3. Liga auf Dauer unmöglich", klagte Geschäftsführer Wolfgang Gräf von Ex-Zweitligist SV Wehen Wiesbaden. Sein Kollege Klaus Brüggemann vom SV Babelsberg nannte seine Klasse eine "Geldverbrennungsliga". Für Zweitliga-Absteiger ist ein schnellstmöglicher Wiederaufstieg geradezu ein Muss. Durch diesen Zwang jedoch setzt sich die "Todesspirale" nach Ansicht des zuständigen DFB-Direktors Ulf Schott erst in Gang: "Der Großteil der Ausgaben wird in Spielergehälter investiert." Auch DFL-Boss Seifert ist sich dieser Problematik bewusst und kündigte an: "Abstieg darf nicht bedeuten, dass man mit einem Bein in der Insolvenz hängt. Wir werden in nächster Zeit mit dem DFB diskutieren, was man tun kann, um diese Klippe zu überspringen."