1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Frühalarm gegen Keime

Gaby Mayr28. November 2012

Bis zu 15.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an Infektionen mit multiresistenten Keimen. Nanotechnologie soll in Zukunft dabei helfen, gefährliche Infektionen früh zu entdecken und gezielt zu behandeln.

https://p.dw.com/p/16qmJ
Grün eingefärbte Nanokapseln (Foto: Max-Planck-Institut für Polymerforschung/ Mainz)
Bild: MPI - Polymerforschung

Antibiotika galten lange Zeit als Wundermittel bei Entzündungen. Doch immer öfter versagen sie. Allein in deutschen Krankenhäusern infizieren sich jedes Jahr bis zu 600.000 Patienten mit Bakterien. Wenn ein Keim gelernt hat, nicht nur ein Antibiotikum zu zerstören, sondern auch das zweite und das dritte, dann spricht man von einem "multiresistenten Keim". Der Grund, warum Antibiotika oft nicht mehr wirken: Überall auf der Welt werden sie ständig eingesetzt. Deswegen können die Bakterien "üben", Antibiotika außer Gefecht zu setzen.

Forschung gegen Keiminfektion

Die bakterielle Infektion einer Wunde möglichst frühzeitig festzustellen, ist das Ziel von Katharina Landfester und ihrem Team am Max Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. "Wir machen Kunststoffforschung", erklärt die Institutsdirektorin, der es sichtlich Spaß macht, ihr Fachgebiet vorzustellen. Denn Kunststoff ist mehr als Zahnpastatuben und Abwasserrohre. Die Mainzer Gruppe um Landfester hat aus Hyaluronsäure winzige Kapseln, sogenannte Nanocontainer, mitentwickelt. "10.000 Nanocontainer aneinander gesetzt ergeben einen Millimeter", macht Landfester die Dimensionen deutlich.

Kultivierung von Bakterien auf Nährböden im Labor des Fachbereiches Bakteriologie im Robert Koch-Institut Berlin (Foto: Hubert Link (c) dpa)
Bakterien werden auf Nährböden gezüchtetBild: picture-alliance

Mit Farbstoff gefüllte Container werden in großer Zahl auf dem Verband verteilt, der die Wunde abdeckt. Falls sich in der Wunde Bakterien ansiedeln, beginnt eine chemische Reaktion, erklärt Projektleiterin Renate Förch: "Die Bakterien sondern Toxine ab, die greifen die Kapseln an und verdauen sie." Der Farbstoff in den Kapseln wird frei gesetzt und der Verband leuchtet blau, rot oder grün. Das heißt "Keimalarm!" für Ärztinnen und Pfleger.

Weltweite Zunahme resistenter Keime

Ein Frühwarnsystem, das eine beginnende Infektion anzeigt, ist auch deshalb so wichtig, weil es - hoffentlich - die Menge der notwendigen Antibiotika reduziert. Seit Jahrzehnten werden Antibiotika weltweit wie Wundermittel eingesetzt, und Keime werden zunehmend resistent und das hat fatale Folgen: "Die resistenten Bakterien haben einen Überlebensvorteil und breiten sich deshalb stärker aus", beschreibt Infektionsexperte Martin Mielke vom Robert Koch-Institut den gefährlichen Mechanismus.

Bakterien (Grafik: DW)
Es gibt immer mehr resistente Bakterien

Dem Frühwarnsystem auf der Spur

Das Forscherteam vom Max-Planck-Institut scheint einem funktionierenden Frühwarnsystem auf der Spur zu sein: "Sobald der Verband blau, rot oder grün wird, muss der Kampf gegen die Bakterien beginnen", macht Katharina Landfester die Dringlichkeit klar. Manchmal entscheiden wenige Stunden, ob eine Wunde heilt oder es zu einer Blutvergiftung kommt.

Die Therapie funktioniert nach demselben Prinzip wie das Alarmsystem, nur dass statt Farbstoff jetzt Medikamente aus den winzigen Kapseln freigesetzt werden. Das Medikament ist üblicherweise ein Antibiotikum. Denn auch wenn eine Infektion früh erkannt wird, muss sie mit einem Medikament behandelt werden. Und das sind eben meist Antibiotika. Aber wenn die Entzündung noch nicht weit fortgeschritten ist, genügen geringere Arzneimengen.

Weiß heißt Entwarnung

Jede Möglichkeit, den Einsatz von Antibiotika zu vermeiden, muss genutzt werden. "Silber und Zink waren schon bei den Griechen und Römern für ihre antibakterielle Wirkung bekannt", verweist Renate Förch auf Erfahrungen in der Vergangenheit. Denkbar ist auch die Kombination verschiedener Wirkstoffe. Die Nanotechnologie jedenfalls, schwärmt Institutsdirektorin Landfester, erlaubt es "eine optimale Wirkung zu erzielen mit ganz, ganz geringen Mengen."

Dr. Renate Foerch - Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz (Foto: Christian Meier / Max-Planck-Institut)
Renate Förch ist Projektleiterin am Max-Planck-InstitutBild: MPI/Christian Meier

Wenn die Nanocontainer intakt bleiben und der Verband blütenweiß strahlt, ist das eine wichtige Information, denn sie besagt "Alles in Ordnung!", und sie erspart dem Patienten die schmerzhafte Prozedur des Verbandwechsels, nur um nachzuschauen, ob die Wunde gut heilt und es nicht zu Infektionen gekommen ist.