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Musik

Erste kirchliche Popakademie startet

Klaus Krämer17. Oktober 2016

In Deutschland kann man sich jetzt erstmals zum hauptberuflichen Pop-Kirchenmusiker ausbilden lassen. Mit Rock, Gospel und Jazz passt sich die Evangelische Kirche von Westfalen dem Zeitgeschmack an.

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c/o pop Festival 2015 Live Konzert Bühne Ratatat. "c/o pop Festival 2015".
Bild: c/o pop Festival 2015

Nein, Kompositionen von Bach und Pachelbel oder Chorsätze von Rilling sollen nicht aus den Gottesdiensten und dem musikalischen evangelischen Gemeindeleben verbannt werden. Doch inzwischen dominieren neue Popsongs mit christlichen Inhalten vermutlich in mehr als der Hälfte des Gemeindealltags. Mit der neuen Popakademie will die Evangelische Kirche in Westfalen dem Rechnung tragen - über die Ausbildung klassischer Kirchenmusiker hinaus.

Neue Szene

Seit den 1960er Jahre gibt es eine überwiegend im Protestantismus verankerte geistliche Musikszene, die neue Glaubenstexte in einen zeitgemäßen musikalischen Sound betten. Daraus ging eine ansehnliche Zahl christlicher Bands, Chöre und Einzelinterpreten hervor, die den Vergleich zur säkularen Musikszene zu keiner Zeit scheuen musste. Eine wachsende Konzertkultur, neue Liederbücher und engagierte Musikverlage trugen dazu bei, dass Gitarre, Schlagzeug und Saxophon den Weg in die Gemeinden fanden.

Dr. Vicco von Bülow Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche. "EKvW".
Landeskirchenrat Dr. Vicco von BülowBild: EKvW

"Die evangelische Kirche ist musikalisch mehrsprachig", sagt Landeskirchenrat Vicco von Bülow im DW-Interview. Immer häufiger komme aus den Gemeinden der Wunsch nach mehr Förderung neuer Musik. Das wirke sich auch auf das Anforderungsprofil bei Stellenausschreibungen für Kirchenmusiker aus. Da es bisher keine richtige Ausbildung für Popularmusik gegeben habe, werde sich das in Zukunft September 2016 ändern, so von Bülow, der für die gesamte Kirchenmusik seiner westfälischen Landeskirche zuständig ist.

Qualitätsoffensive

Neun Studenten haben das ersten Semester des Studiengangs "Kirchenmusik popular" begonnen. Nach acht Semestern haben sie einen Abschluss als Bachelor in der Tasche und sind dann hauptberufliche Pop-Kirchenmusiker. Ein Masterstudiengang ist in Vorbereitung. Standort ist Witten im Südosten des Ruhrgebiets.

Der neue Studiengang mit 24 Fächern wird von den Initiatoren als "Qualitätsoffensive" bezeichnet. Deshalb hielten sie im Vorfeld nach besonderen Mitwirkenden Ausschau. Prorektor der Akademie ist Hartmut Naumann, zuvor Kirchenmusikdirektor für den Fachbereich Popularmusik der Nordkirche in Hamburg. "Bei uns ist zum Beispiel das Hauptfach Klavier oder Gitarre. Das betreiben unsere Studierenden so intensiv wie Studenten traditioneller Kirchenmusik ihr Hauptfach Orgel", unterstreicht Naumann. 

Auch Dieter Falk bringt reichlich Erfahrung mit. Immerhin gehört er zu den erfolgreichen Musikern und Produzenten sowohl der säkularen als auch der christlichen Musikszene. Über 50 Platin- und Goldene Schallplatten für mehr als 20 Millionen verkaufte Tonträger schlagen für ihn zu Buche. Falk, jetzt also auch Professor der Popakademie, hat deren Gründung von Anfang an als Herzenssache begleitet.

Fundierte Ausbildung

Dieter Falk. "M. Falk".
Dieter Falk in seinem Düsseldorfer StudioBild: M. Falk

Man habe viel vor mit den künftigen Studierenden, so Dieter Falk im DW-Gespräch. "Da ist das breite Paket des Popmusikers mit den Hauptfächern Klavier und Gitarre. Dann Chorleitung, Arrangement, der theologische und liturgische Aufbau von Gottesdiensten, Songwriting, Tontechnik, das Managen von Konzerten." Wichtig sei auch die Bandleitung: "Ein Kirchenmusiker muss in Zukunft mit einer Konfirmanden-Band vielleicht mal einen Rihanna-Titel für einen Schulgottesdienst einstudieren." Im Gemeindegottesdienst sei noch überwiegend der klassische Choral angesagt. Deshalb sei es auch ein Ziel "mit den neuen popmusikalischen Kirchenmusikern Choräle anders zu begleiten, sie groovie zu machen".

Nicht nur für Popmusik-Studenten

Die Kompetenz der neuen Popakademie solle jedoch nicht allein den Studierenden zugute kommen, unterstreicht Vicco von Bülow. Vielmehr wolle die Kirchenleitung, auch all jene fortbilden, die sich neben- oder ehrenamtlich in der Kirchenmusik engagieren. "Das beginnt mit den Erzieherinnen in evangelischen Kindergärten, die wir befähigen wollen, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und mit den Kindern etwas zu singen. Das geht weiter über Gemeindepädagogen, die in der Jugendarbeit oder in sozialen Diensten tätig sind. Wir wollen Fortbildungen anbieten, die für alle geöffnet sind, die Interesse daran haben." Bereits bestehende Angebote rund um die Musik sollen hier ebenfalls integriert werden.

Dieter Falk. "T. Brand".
Dieter Falk mit 3.000 Chorsängern bei der Probe zum Pop-Oratorium "Luther". Der umjubelten Premiere im Herbst 2015 in Dortmund folgt im Reformations-Jubiläumsjahr 2017 eine große DeutschlandtourneeBild: T. Brand



Was noch fehlt

Wenn alles nach den Vorstellungen der westfälischen Kirche läuft, wird es in absehbarer Zeit also qualitativ mehr hochwertige zeitgemäße Musik geben. Die aber ist nur der eine Teil. Wie steht es um gute, verständliche geistliche Texte? Vicco von Bülow meint, "Gospel, Rock, Pop und Jazz mit christlichen Texten zu versehen - da wird es ganz stark darauf ankommen, dass wir Menschen mit entsprechenden Fähigkeiten anregen können." Weil es keinen eigenen Ausbildungsgang innerhalb der Popakademie gebe, sei man auf Kooperationen angewiesen. Allerdings weiß von Bülow: "Gute Kirchenmusiker finden immer gute Texter."

Dieter Falk ist davon überzeugt, "dass wir später in einem Songwriting-Prozess auch Text-Workshops mit ausgezeichneten Textern anbieten müssen". Schließlich gebe es in der Musik gerade eine "deutsche Welle" wie noch nie.