Friedensprozess soll vorangetrieben werden
26. Oktober 2011Er galt lange als zögerlich und unentschlossen. Aber seit Mahmud Abbas die Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen beantragt hat, ist das Ansehen des Präsidenten unter den Palästinensern merklich gestiegen. Was Abbas fordert, ist für viele von ihnen eine Selbstverständlichkeit: die internationale Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat. Viele westliche Länder dagegen sehen Abbas' Initiative kritisch. Sie wollen keinen Alleingang der Palästinenser und haben deshalb auf neue Verhandlungen gedrängt – mit dem Ergebnis, dass Israelis und Palästinenser nach über einem Jahr Funkstille wieder miteinander reden. Zumindest indirekt.
Getrennte Gespräche
Das so genannte Nahost-Quartett, das aus den USA, Russland, der EU und den Vereinten Nationen besteht, bemüht sich seit Mittwoch (26.11.2011), die abgebrochenen Friedensgespräche wieder aufleben zu lassen. Im UN-Hauptquartier in Ost-Jerusalem sind getrennte Treffen des Quartetts mit dem palästinensischen Unterhändler Saeb Erekat geplant, anschließend mit dem Vertreter des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, Jizchak Molcho. An den Beratungen nehmen unter anderem der UN-Sondergesandte Tony Blair sowie die deutsche Diplomatin Helga Schmidt für die EU teil.
Bis Ende des kommenden Jahres sollen Israelis und Palästinenser ein Friedensabkommen schließen. Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, ist verhalten optimistisch: "Die Erwartungen sind leider nicht sehr hoch gesteckt", sagt er. "Aber man hofft natürlich immer, dass die indirekten Gespräche in direkte münden, und die direkten Gespräche zu substanziellen Verhandlungen werden, die auch abgeschlossen werden können."
Genau dazu ist es in den vergangenen Jahren nie gekommen. Zu groß waren die Differenzen zwischen Israelis und Palästinensern. Im vergangenen Jahr seien die Friedensverhandlungen unter anderem daran gescheitert, dass Israel weiterhin am Siedlungsbau festhält, sagt Martin Beck, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jordanien: "Israel hat durch die Gewährung neuer Siedlungen demonstriert, dass es auf keinen Fall dem Siedlungsstopp, den die Palästinenser fordern, nachkommen will", sagt der Nahost-Experte. "Und umgekehrt haben die Palästinenser durch ihren Vorstoß, als Staat in den Grenzen von 1967 anerkannt zu werden, demonstriert, dass sie völlig andere Ambitionen haben, als die Israelis im Augenblick zu erfüllen bereit sind. Das ist natürlich kein guter Start für bilaterale Verhandlungen."
Geringe Erwartungen
Hinzu kommt der Gefangenen-Austausch zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas, der in der vergangenen Woche die Schlagzeilen beherrschte. Yariv Oppenheimer, Generalsekretär der israelischen Nichtregierungsorganisation Peace Now, sieht sowohl darin als auch in Abbas' Rede vor den Vereinten Nationen eine Hürde für mögliche Friedensgespräche. Beide Ereignisse hätten die Kluft zwischen Israelis und Palästinensern insgesamt vergrößert. "Denn jetzt sieht so aus, als gingen Israel und die Hamas Hand in Hand“, sagt Oppenheimer. "Netanjahu spielt Machtspiele mit Abbas, seit er gewählt wurde. Das ist bitter, weil die jetzige palästinensische Führung moderater ist als alle ihre Vorgänger.“
Dass die israelische Regierung den indirekten Verhandlungen nicht besonders viel Bedeutung beimisst, ist kaum zu übersehen. Michael Eitan, einer der Minister in der Regierung Netanjahu, wusste im Interview mit DW-WORLD nicht, dass indirekte Verhandlungen stattfinden. Auch in der israelischen Presse spielt das Thema allenfalls eine Nebenrolle. Die Palästinenser sind ebenfalls skeptisch. "Ich erwarte nichts", sagte Nabil Schaat, Mitglied des palästinensischen Verhandlungsteams kurz vor dem Treffen in Jerusalem. Die Aussichten auf eine Einigung seien entsprechend gering, sagt Nahost-Experte Beck: "Direkte, bilaterale Friedensverhandlungen ohne einen wirklich klaren Fahrplan, ohne klare Vorgaben sind aus palästinensischer Sicht extrem problematisch, weil man genau das zwischen 1993 und 2010 hatte und Israel einfach zu mächtig ist gegenüber der PLO, als dass es wirklich Konzessionen, Zugeständnisse machen müsste", erläutert der Politikwissenschaftler. "Und deshalb ist dieser Ansatz im Grunde 2010 gescheitert."
Autoren: Anne Allmeling und Adi Halfon
Redaktion: Diana Hodali