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Politik

Friedensnobelpreis: ICAN sieht Bundesregierung am Zug

7. Oktober 2017

Auch in Deutschland freut sich die Anti-Atomwaffenkampagne ICAN über den Friedensnobelpreis. Mit der öffentlichen Aufmerksamkeit im Rücken üben die Friedens-Aktivisten nun Druck auf die Bundesregierung aus.

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Deutschland ICAN- PK in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Ungläubige Freude, so kann man die Stimmung umschreiben, die zwei Stunden nach der Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers beim deutschen Zweig der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, kurz ICAN, herrscht. "Ich bin ganz überwältigt, wie Sie wahrscheinlich sehen können", sagt Vorstand Sascha Hach (oben im Bild mit seiner Vorstands-Kollegin Xanthe Hall) bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz. Vorab informiert war er nicht. "Wir haben es um 11 Uhr im Live-Stream aus Oslo erfahren."

Auch wenn ICAN schon mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert war, hatten die Aktivisten nicht damit gerechnet, dass sie ausgezeichnet würden. "Wir wollten eigentlich gar nicht so richtig glauben, dass es möglich wäre", so Vorstand Xanthe Hall. Andererseits müsse man sagen: "Wenn nicht in diesem Jahr, wann dann?" Das Risiko, dass Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten, sei so groß wie lange nicht. "Es ist Zeit, ein Stoppschild hochzuhalten."

Neue Aufmerksamkeit

Das Stoppschild, damit ist der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen gemeint, der am 7. Juli 2017 von 122 Staaten in New York beschlossen wurde und an dessen Zustandekommen ICAN großen Anteil hat. "Leider ging das so ein bisschen unter", erinnert sich Hall. Denn an diesem Tag blickte die Welt nach Hamburg, wo sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten unter deutscher Präsidentschaft trafen. Nun aber würde der Friedensnobelpreis die Aufmerksamkeit auf den Vertrag lenken. "Wir sind froh, dass dieses Stoppschild nun endlich gesehen wird", so Sascha Hach.

Eine Aufmerksamkeit, die ICAN unbedingt nutzen will. Von den 122 Staaten, die den Vertrag befürworten, haben 53 ihn bis jetzt unterschrieben. Deutschland gehört wie fast alle NATO-Staaten und alle Atommächte nicht zu den Befürwortern und hat auch die Verhandlungen über den Vertrag boykottiert. Für Hach ist der Vertrag gleichbedeutend mit einer "Rebellion im Stillen", einer "Rebellion der schwachen Staaten".

Deutschland hat politisches Gewicht

Die Bundesregierung gratuliert ICAN zur Auszeichnung. Man stehe zum Ziel der Abschaffung der Atomwaffen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin, Ulrike Demmer, in Berlin. Solange aber von einigen Staaten nukleare Waffen weiter als ein Mittel militärischer Auseinandersetzung betrachtet würden und Deutschland und Europa davon bedroht seien, bestehe weiter die Notwendigkeit zum Erhalt einer nuklearen Abschreckung.

Eine Argumentation, die die ICAN-Friedensaktivisten nicht gelten lassen wollen. Deutschland müsse dem Atomwaffenverbotsvertrag so schnell wie möglich beitreten, fordert Sascha Hach. Ein Aufschub sei nicht länger zu dulden. "Die Bundesregierung hat die politische Bedeutung des Verbotsvertrages völlig verkannt." Deutschland habe ein außerordentliches politisches Gewicht in der Welt und sei dem bislang nicht gerecht geworden. Würde sich die Bundesregierung an die Seite der Befürworter stellen, würde das den "Druck auf die Atommächte und ihre Stigmatisierung" deutlich erhöhen.

Atombomben in der Eifel

Auch bei den Abrüstungsverträgen über Streubomben und Landminen hätten sich die großen Besitzernationen zunächst gewehrt und verweigert. "Die Verträge sind trotzdem zustande gekommen und es sind immer mehr Staaten beigetreten." Am Ende sei daraus eine völkerrechtliche Norm erwachsen, auf die inzwischen selbst Besitzerstaaten hinweisen würden. "Wir denken, dass dieser Verbotsvertrag einen Stein ins Rollen bringt und Deutschland sollte das unterstützen", fordert Xanthe Hall.

Die gebürtige Schottin arbeitet nicht nur für ICAN, sondern auch als Geschäftsführerin der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) in Berlin. Sie hat sich dem Kampf gegen die nukleare Abschreckung verschrieben, weil die Drohung mit Atombomben einem Massenmord gleichkomme. "Wir können nicht helfen", sagt sie. Atomwaffen dürften "auf keinen Fall und unter keinen Umständen" eingesetzt werden. In Zeiten, da der US-amerikanische Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sich gegenseitig mit atomaren Schlägen drohten, müsse man das umso lauter sagen. 

Deutschland ist selbst keine Atommacht, es sollen allerdings Nuklearwaffen hier lagern. Die Bundesregierung gibt darüber zwar keine Auskunft, aber nach Angaben der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) sollen auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel bis zu 20 Atombomben des Typs B61 liegen. Jede einzelne dieser Bomben soll über eine maximale Sprengkraft von rund 13 Hiroshima-Bomben verfügen.