1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Feinstaub in Europa

Aarni Kuoppamäki12. Juni 2007

Die Feinstaub-Richtlinie der Europäischen Union gibt allen Mitgliedsstaaten ein gemeinsames Ziel vor. Die Mittel, um es zu erreichen, sind umstritten – auch, weil die Forschung noch nicht abgeschlossen ist.

https://p.dw.com/p/Au2X
Autos stauen sich auf der Brackeler Straße in Dortmund (Quelle: AP).
In Dortmund wurde der Grenzwert von 35 staubigen Tagen pro Jahr im April überschrittenBild: AP

Feinstaub macht Menschen krank. Die winzig kleinen Teilchen schweben in der Luft, binden sich mit Schadstoffen wie Schwermetallen und transportieren diese über die Bronchien in die menschliche Lunge. Je kleiner die Partikel sind, umso tiefer dringen sie ein – über die Lungenbläschen bis ins Blut. So verursacht Feinstaub Asthma, Krebs und Herz-Kreislauf-Störungen. Die schädliche Wirkung steigt linear zur Feinstaubkonzentration in der Luft. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) senken zehn Mikrogramm - also Millionstelgramm - Feinstaub pro Kubikmeter die Lebenserwartung eines Menschen um knapp sechs Monate. "Man kann das Wie nicht genau erklären", sagt Ulrich Franck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, "aber man weiß: Feinstaub ist schädlich."

Grenzwert nach Gewicht

Ein Braunkohlekratfwerk stößt weiße Dampfwolken aus (Quelle: AP)
Je dichter der Filter, umso feiner der StaubBild: AP

Die Feinstaub-Richtlinie der Europäischen Union setzt Grenzwerte für Partikel, die kleiner sind als 10 Mikrometer (genannt PM10). Im Jahresdurchschnitt darf ihre Konzentration nicht höher sein als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter darf an höchstens 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Wo das nicht gelingt, muss ein Luftreinhalteplan erstellt werden. Doch die Beurteilung der Schädlichkeit nach Gewicht ist umstritten. "Eine Million ultrafeine Partikel können genauso viel wiegen wie ein großer", sagt Ulrich Franck. "Deshalb würde ich für ein zweites, anzahlbezogenes Maß der Belastung plädieren." Selbst dann wäre die reale Schädigung schwer messbar, denn unter den Sammelbegriff Feinstaub fallen so unterschiedliche Stoffe wie Asbest, Saharastaub und Seesalzpartikel.

Trotzdem zählt in der EU bisher nur die Masse des Feinstaubs. Hierbei werden in fast allen EU-Staaten Grenzwerte überschritten. Nationale Regelungen können die Belastung nur begrenzt senken, denn je nach Region wird ein Drittel bis die Hälfte des Feinstaubs vom Wind heran transportiert. So ist jeder Staat darauf angewiesen, dass auch der Nachbar den Feinstaub reduziert, wo er entsteht: in Industrieanlagen (durch Verbrennung oder Aufschüttung staubender Güter) und im Verkehr (durch Abgase, Reifenabrieb und Aufwirbelungen). "Wir müssen wirklich auf allen Gebieten gleichzeitig arbeiten", sagt Otto Hänninen vom WHO-Programm für Luftgüte und Gesundheit. "Nur so können wir die Herausforderung, die Grenzwerte einzuhalten, langfristig meistern."

Ferntransport, Industrie und Verkehr

Die Taunusbahn in Hessen (die erste mit Luftfreundlichen Diesel-Loks)
Rußpartikelfilter verringern die Emissionen - auch von Zügen

Insgesamt ist die Belastung in Europa in den vergangenen Jahrzehnten durch ein wacheres Umweltbewusstsein und gestiegene technische Möglichkeiten zurückgegangen. In neueren EU-Mitgliedsstaaten kann eine Modernisierung von Industrieanlagen den Feinstaub-Ausstoß noch weiter senken. In technisch höher entwickelten Ländern wie Großbritannien oder Deutschland, wo diese Möglichkeit weitgehend ausgeschöpft ist, konzentrieren sich die Bemühungen auf den Straßenverkehr. So gelten in Italienischen Städten Fahrverbote an Sonntagen. Die Schweiz fördert den öffentlichen Nahverkehr, Österreich setzt auf Tempolimits und England auf die Innenstadt-Maut für London. Deutschland erprobt Umweltzonen, die nur von schadstoffarmen Fahrzeugen befahren werden dürfen. "Die Forschung ist noch nicht weit genug, um sicher zu bestimmen, was die besten Maßnahmen wären", sagt Umweltforscher Franck.

Autofahrer-Verbände kritisieren, der Anteil des Straßenverkehrs am Feinstaubproblem werde überbewertet. Kommunen klagen, die EU-Verordnung, die sie umsetzen sollen, sei nicht einzuhalten. Und für Forscher geht sie nicht weit genug. "Die aktuelle Regelung ist ein politischer Kompromiss zwischen der technischen Machbarkeit und den gesundheitlichen Zielen", sagt Franck. Es bleibt nicht der letzte Kompromiss. Die EU-Kommission plant die Einführung von Grenzwerten für Partikel, die kleiner sind als 2,5 Mikrometer – für Franck noch immer zu groß. Und während die aktuellen Feinstaub-Grenzwerte vielerorts weiter überschritten werden, steht die nächste Änderung bereits fest. Am 1. Januar 2010 sinkt der zulässige Jahresmittelwert für PM10 auf die Hälfte.