Freikirchen taufen Flüchtlinge
7. Mai 2017Mehr als 1200 Flüchtlinge hat er schon getauft. Gottfried Martens ist Pastor der Dreieinigkeitskirche, einer evangelisch-lutherischen Freikirche in Berlin-Steglitz. Angefangen hatte es mit zwei Flüchtlingen aus dem Iran, die 2008 seine Gemeinde aufsuchten. Sie brachten einen Bekannten mit, den Pastor Martens taufte. Über die Jahre kamen dann immer mehr Flüchtlinge mit dem Wunsch, ihre Religion zu wechseln. Heute ist Martens Gemeinde in der Hauptstadt bekannt, Hunderte besuchen die Gottesdienste, in denen auf Deutsch und Farsi gepredigt wird.
Die Konvertiten sind Iraner und Afghanen ursprünglich islamischen Glaubens. Darunter viele "Neulinge", die erst in Deutschland von anderen Christen angesprochen wurden. "Viele waren aber auch schon im Iran in Hausgemeinden oder sind während der Flucht mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen", berichtet Martens.
"Wir mussten sogar in eine andere Kirche umziehen, weil der Platz nicht reichte", erzählt er der DW. "Der Höhepunkt kam, als die Balkanroute geschlossen wurde." Während der sogenannten Flüchtlingskrise Anfang 2016 saßen bis zu 250 Teilnehmer in den Taufvorbereitungskursen der Dreieinigkeitskirche. Normalerweise unterrichtet Pastor Martens rund 30 Personen pro Kurs, so auch aktuell.
Taufschein nach drei Monaten
Alle von Gottfried Martens getauften Personen sind Flüchtlinge, alle sprechen Farsi oder einen Dialekt der Sprache. "Für sie ist es etwas ganz Besonderes, dass unsere Gemeinde zweisprachig ist." Einige warten noch auf eine Entscheidung im Asylverfahren, andere haben einen Duldungsstatus, andere wiederum sind abgelehnt worden. Sie verbringen drei Monate in den Vorbereitungskursen, anschließend folgt ein Test, bei dem sie Martens persönlich ihre Beweggründe für den Übertritt schildern müssen. "Es waren auch circa 300 dabei, die wir ablehnen mussten." Die anderen wurden getauft und bekamen einen Taufschein.
Die meisten der 1300 konvertierten Gemeindemitglieder leben in Flüchtlingsunterkünften. "Sie berichten anderen Landsleuten von uns - dadurch kommen wieder Neue zu uns." Gottfried Martens ist glücklich über das Interesse an seiner Gemeinde, er spricht von einem Segen der Flüchtlinge. "Nach all dem, was sie durchgemacht haben, bin ich dankbar, dass sie in Gott vertrauen und in unsere Gemeinde kommen möchten."
Die Volkskirchen, also die evangelischen Landeskirchen und die römisch-katholische Kirche in Deutschland, verzeichnen zur Zeit ebenfalls eine erhöhte Anzahl von Taufen. Zwar werden die Konversionen nicht eigens erfasst, "doch in den letzten Jahren hat es einen deutlichen Anstieg der Flüchtlingstaufen gegeben", erklärt Carsten Splitt von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber der DW. Die Zahl der evangelischen Taufen von Menschen über 14 Jahren insgesamt ist in den vergangenen Jahren gestiegen, von rund 17.000 im Jahr 2014 auf 178.408 im Jahr 2015.
Darin sind die Taufen der selbst organisierten Freikirchen wie der Dreieinigkeitskirche nicht erfasst. Die persisch-christliche Pfingstgemeine "Alpha und Omega" in Hamburg ist eine weitere bei Flüchtlingen iranischer und afghanischer Herkunft beliebte Anlaufstelle. An Christi Himmelsfahrt im vergangenen Jahr führte Pastor Albert Babajan eine öffentliche Massentaufe für 80 Flüchtlinge im Stadtpark durch.
Taufe mit Risiken
Die Konversion ist jedoch alles andere als ungefährlich. Die zum Christentum Übergetretenen sind vielerlei Anfeindungen ausgesetzt. In ihren Heimatländern Iran oder Afghanistan droht ihnen religiöse Verfolgung, unter Umständen die Todesstrafe. In Deutschland hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Berichte über Attacken auf Konvertiten gegeben. In den Flüchtlingsheimen könnten "seine Leute" laut Martens nicht mehr unbehelligt wohnen.
"Aktuell haben wir wieder fünf Leute bei uns wohnen, die massiv attackiert wurden. Einem fehlen sämtliche Zähne, ein anderer hat eine Platzwunde, die genäht werden musste." Die Behörden, so Martens, würden nicht mehr reagieren. Das Sicherheitspersonal stelle sich meistens auf Seite der Angreifer und obwohl die Polizei eingebunden ist, "kommen sie in dieser Sache nicht weiter".
Es ginge so weit, dass die Konvertiten heimlich zu den Gottesdiensten aus der Unterkunft wegschlichen, ihre Taufkreuze versteckten, so Martens. Ein konvertierter Flüchtling, der angegriffen wurde und daraufhin Anzeige erstattete, bekam am nächsten Tag zehn Anzeigen von anderen Heimbewohnern wegen sexueller Belästigung von muslimischen Frauen, erzählt Martens.
Die Anfeindungen gegen Konvertiten sind nicht neu, bestätigt der Pastor, sondern mittlerweile "Normalität". Bei den Angreifern handele es sich zum Teil um Landsleute aber auch um andere "radikale Muslime aus verschiedenen Ländern." Obwohl er weiß, dass der Glaubensübertritt eine Gefahr für die Menschen darstellt, führt Martens die Taufen durch, wie viele andere Freikirchen und Volkskirchen auch.
Missionierungsversuche und Blitztaufen
Berichte in deutschen Medien schildern auch, wie zum Teil in Flüchtlingsunterkünften massiv geworben wird mit dem Versprechen einer vermeintlich besseren Bleibeperspektive im Falle eines Glaubensübertritts. Über Blitztaufen in Privatwohnungen durch sektenähnliche Gemeinden und Missionierungsversuche hat unter anderem der Deutschlandfunk berichtet. Vor allem afghanische Flüchtlinge, denen die Abschiebung drohte, waren demnach im Visier der Missionare.
Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die Konversion ein "selbst geschaffener Nachfluchtgrund". Wenn wegen des Glaubensübertritts die Verfolgung im Herkunftsland droht, dann muss der Fall näher untersucht werden. "Die Konversion eines Asylbewerbers wird im Asylverfahren berücksichtigt, wenn sie glaubhaft vorgetragen wird" erklärte das BAMF kürzlich gegenüber Spiegel Online. Die Entscheider im Asylverfahren beurteilen, ob der Glaubenswechsel aus echter Überzeugung erfolgte oder gegebenenfalls ein taktischer Grund dahinter steckt.
Bessere Chancen auf Asyl?
"Ich mache von Anfang an klar, dass die Konversion und die Taufe die Chancen auf Asyl nicht erhöhen, sondern sogar verschlechtern können", betont Martens. Christliche Asylbewerber bekämen in letzter Zeit in großem Stil negative Antworten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. "Da wird dann oft nicht mehr einmal weiter hingeguckt, wenn ein iranischer Christ kommt." Einige der von ihm Getauften seien bereits abgeschoben worden.