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Frei haben: Hanifa im Hallenbad

Peter Hille7. Dezember 2005

Muslimische Mädchen schwimmen nicht. Oder doch? Wenn die Frauen vom Schwimmclub Al-Hilal baden gehen, dann gilt: Betreten verboten.

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"Zur Zeit kein öffentlicher Badebetrieb!" Das Schild hängt an einem massiven Metallpfosten und versperrt den Eingang zum Bonner Viktoriabad. Aus der Badehalle hört man den Rhythmus von Kraulschlägen und das Geschrei von Kindern. Sehen kann man die Becken von hier aus allerdings nicht. Auch der Gang hinaus auf die Straße und einmal ums Gebäude herum bringt keine Einsicht. Das Kunststoffglas der Außenfassade ist blickdicht bemalt. Stilisierte Wellen in blau, rot, gelb und schwarz. Die Badenden bleiben unter sich.

SSV Halbmond

Das Viktoriabad in Bonn
Betreten erlaubt: Das Viktoriabad in Bonn während des öffentlichen BadebetriebsBild: DW

Optimale Bedingungen für die Frauen vom "Schwimm- und Sportverein Al-Hilal Bonn", die jeden Samstag im Viktoriabad trainieren. Al-Hilal, das ist der arabische Name für den Halbmond, ein Symbol der islamischen Welt. Die 700 Mitglieder des Vereins sind muslimischen Glaubens und kommen aus mehr als 20 verschiedenen Ländern. Hanifa Aggiy ist Deutsche, ihre Mutter kommt aus dem Oman, ihr Vater aus Uganda. Sie schwimmt in der Frauenabteilung von Al-Hilal seit sie sechs Jahre alt ist. Die Kleidervorschriften des Islam und die Trennung der Geschlechter sind Hanifa wichtig. In Badekleidung von einem Mann gesehen zu werden, das wäre der 19-jährigen höchst unangenehm.

Seepferdchen mit Leggins

Hanifa sitzt in der Geschäftsstelle des SSV Al-Hilal, einige Straßen vom Viktoriabad entfernt. Sie ist verschleiert und erklärt, dass auch ihre Badekleidung über das in Deutschland übliche Maß hinausgeht: Beim Schwimmen trage ich einen geschlossenen Badeanzug und dazu Leggins, die über die Knie gehen." In diesem Zweiteiler hat Hanifa die klassische deutsche Schwimmkarriere gemacht. Das Seepferdchen, die Jugendabzeichen in Bronze, Silber und Gold und zuletzt den Rettungsschwimmer. Immer als Mitglied des SSV Al-Hilal - und immer ohne Männer. "Wir haben uns 1991 als Selbsthilfeinitiative gegründet", sagt die zweite Vorsitzende des Vereins, Carola Abdelsalam. "Muslimische Frauen hatten den Wunsch, schwimmen zu gehen, aber es gab keine Angebote in der Region, die die islamischen Gepflogenheiten berücksichtigten." Auf der Warteliste für die Vereinsmitgliedschaft stehen heute immer noch mehr als 200 Frauen und Mädchen.

Carola Abdelsalam
Die Arbeit wird von Frauen gemacht: Carola Abdelsalam in der Geschäftsstelle von Al-HilalBild: privat

Mädchensport Schwimmen?

Das Viktoriabad in Bonn
Schwimmen: Ein Sport, der nicht nur Männern Spaß machtBild: DW

Neben Karate und Volleyball gehört Schwimmen zu den bevorzugten Sportarten von Mädchen mit Migrationshintergrund. "Schwimmen ist für Muslime jedoch eine problematische Sportart. Die wenigsten Mädchen sind daher in Vereinen organisiert", sagt die Sportwissenschaftlerin Sabine Seidenstücker aus Nürnberg. Bevorzugt werden Vereine der eigenen ethnischen oder religiösen Gruppe besucht. "Das ist gut, weil es den Zugang zu mehr Bewegung öffnet. Als echte Integration kann man das jedoch nicht bezeichnen. Die Mitglieder in solchen Vereinen bleiben meist unter sich."

Genau deshalb geht Hanifa zum SSV Al-Hilal. Hier kann sie etwas tun, das ihr Spaß macht, gemeinsam mit Mädchen, die in der gleichen Situation sind wie sie. "Das ist manchmal anstrengend in Deutschland. Man hat das Gefühl, dass man sich immer öffentlich erklären muss, warum man sich so kleidet, warum man sich an diese Regeln hält." Die strengen Baderegeln einzuhalten fällt ihr dennoch manchmal schwer. Vor allem im Sommer, wenn es warm wird hinter der Glasfassade des Viktoriabads. "Den Gedanken, ins Freibad zu gehen, den hatte ich schon ab und zu mal."

Das Viktoriabad in Bonn
Blickdicht: Die Fenster des ViktoriabadsBild: DW