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Politik

Frauen in Asien unter Druck

12. April 2020

In vielen asiatischen Gesellschaften werden Frauen für den innerfamiliären Frieden verantwortlich gemacht. In Zeiten von Ausgangssperren wächst damit die Herausforderung.

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Coronavirus in Indonesien Bali
Frauen tragen Schutzmasken auf der indonesischen Ferieninsel BaliBild: AFP/S. Tumbaleka

Das malaysische Frauenministerium musste zurückrudern. Nachdem die Regierung in Kuala Lumpur zur Bekämpfung des Coronavirus eine Ausgangssperre verhängt hatte, forderte sie die Frauen des Landes dazu auf, sich auch zu Hause hübsch anzuziehen, zu schminken und nicht an ihren Männern herumzunörgeln. Nach einem Aufschrei in den sozialen Medien entschuldigte sich das Familienministerium und nahm die sexistischen Empfehlungen zurück. Die ursprüngliche Meldung ist inzwischen gelöscht.

Der Fall ist ein Beispiel dafür, welches Familienbild in vielen Ländern Süd- und Südostasiens weiterhin vorherrscht. Frauen werden für den innerfamiliären Frieden verantwortlich gemacht. Wenn es zu Streit und Spannungen kommt, liegt die Schuld bei ihnen. Ein vietnamesisches Sprichwort fasst das gut zusammen: "Der Mann baut das Haus, die Frau das Zuhause."

Warnung des UN-Generalsekretärs

Eine Ausgangssperre wegen des Coronavirus bedeutet Zusammenleben in den eigenen vier Wänden unter verschärften Bedingungen. Die Familie ist länger als sonst auf engem Raum zusammen. Der Druck nimmt für alle Beteiligten zu, aber für Frauen wegen des oft konservativen Familienbildes in höherem Maße.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte deswegen in einer Videobotschaft vor dem Anstieg häuslicher Gewalt. "In den letzten Wochen, in denen der wirtschaftliche und der soziale Druck sowie die Angst gestiegen sind, konnten wir eine erschreckende Zunahme häuslicher Gewalt feststellen. Die Zahl der Frauen, die Hilfestellen kontaktiert haben, hat sich in manchen Ländern verdoppelt."

Urvashi Gandhi, Direktor von "Global Advocay at Breaktrough India", einer Nichtregierungsorganisation, die in der Frauen- und Mädchenfördernung aktiv ist, sagt gegenüber der Deutsche Welle: "Frauen wird beigebracht, die Beziehungen zu pflegen und den Frieden in der Familie zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen häusliche Gewalt anzeigen sind ohnehin niedrig. Aber in Zeiten einer Pandemie, wenn die Wege zur Hilfe versperrt sind, sinken sie weiter." Im Zweifel würde die Polizei eher die Ausgangssperre durchsetzen als Frauen zu ermöglichen, sich vor gewalttätigen Männern in Sicherheit zu bringen.

Mehr Aufgaben als zuvor

Doch nicht nur die Gefahr häuslicher Gewalt ist groß. Auch die Belastung von Frauen, die keine Gewalt erleiden, nimmt zu. Denn Frauen investieren laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 2018 viel mehr Zeit in sogenannte unbezahlte Betreuungsarbeit als Männer, also Kindererziehung, Pflege von Älteren und dergleichen. Die genderbasierte Differenz ist dabei nirgendwo höher als in Asien, wo laut ILO 80 Prozent dieser notwendigen Arbeiten von Frauen übernommen werden.

In Indonesien, wo die Regierung seit dem 16. März eine Politik der "sozialen Distanz" verfolgt, sind die Schulen geschlossen. Kinder werden zu Hause unterrichtet. In den großen Städten wie Jakarta funktioniert das digitale Lernen gut, aber  in den ländlichen Regionen sieht das schon anders aus. Im schlimmsten Fall müssen die Mütter nun die Berufsarbeit aus dem Home Office, die Hausarbeit, die Zubereitung des Essens, die Kindererziehung und -ausbildung leisten. Indonesiens nationale Kommission zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen warnte, dass Frauen in der Krise mit immer mehr Aufgaben konfrontiert seien. Sie forderte das Frauenministerium auf, mehr Gleichberechtigung in den Familien anzumahnen und die Aufgaben in den Familien gerechter zu verteilen.

Indien Neu Delhi | Shaheen Bagh | Proteste Frauen Staatsbürgerschaftsgesetz | CAB, CAA
Frauen in Indien versammeln sich trotz Ausgangsperre gegen das StaatsbürgerschaftsgesetzBild: DW/S. Chabba

"Frauen sind keine Superhelden"

Die 34-jährige Bhwana lebt mit ihrem sechsjährigen Sohn und ihrem Mann in Indiens Hauptstadt Delhi, wo seit Ende März eine Ausgangssperre herrscht. Sie managet ein Immobilien-Portal. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagt sie: "Lockdown bedeutet Doppelschichten für berufstätige Frauen." Doch Bhwana ist überzeugt, dass Frauen sich, wenn möglich, selbst helfen müssen: "Um seelischer und physischer Erschöpfung vorzubeugen, ist es notwendig, die Arbeitsabläufe zu optimieren. Jedes Familienmitglied muss eine Aufgabe übernehmen." Ihr Mann ist seither verantwortlich für das Durchwischen des Hauses, die Schwiegermutter übernimmt das Kochen, der Sohn muss Staub wischen. "Es ist allerhöchste Zeit zu begreifen, dass Frauen keine Superhelden und ihre Kräfte begrenzt sind."

Arunima Sharma, die in Delhi für den Kundendienst des Bergbauunternehmens Rio Tinto arbeitet, befürwortet ähnliche Maßnahmen wie Bhwana aus Delhi. Sie kann der neuen Situation sogar positive Seiten abgewinnen, wie sie der DW sagte: "Der erzwungene Lockdown hat uns dringend benötigte 'Zeit für die Familie' gegeben und wir lernen, gemeinsamer Zeit eine höhere Priorität einzuräumen." Das sei aber nur möglich, wenn Frauen und Männer gemeinsam anpackten.

Mitarbeit von Charu Kartikeya, Dani Purba, Tanika Godbole.

 

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia