Umstrittenes Gesetz
12. Oktober 2006Ein entsprechender Gesetzentwurf fand in Paris eine Mehrheit von 106 Ja-Stimmen bei 19 Nein-Stimmen. Abgelehnt wurde ein Änderungsantrag, wonach für die historische Forschung Ausnahmen vorgesehen sein sollten. Die Mehrzahl der 577 Abgeordneten waren zum Zeitpunkt der Stimmabgabe nicht anwesend. Auch Vertreter der konservativen Regierungspartei UMP hatten angekündigt, sie wollten für die Vorlage stimmen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Verstöße mit einem Jahr Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 45.000 Euro bestraft werden können. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ist die Zustimmung des Senats als zweite Parlamentskammer erforderlich. Bereits 2001 hatte Paris per Gesetz die Massenmorde an den Armeniern als "Völkermord" eingestuft.
Proteste aus der Türkei
Die türkische Regierung hatte Frankreich bei einer Verabschiedung mit Wirtschafts-sanktionen gedroht und sieht das Gesetz als Versuch, den EU-Beitritt der Türkei zu torpedieren. Der türkische Außenminister Abdullah Gül sagte am Mittwoch: "Wenn der Entwurf angenommen wird, dann verliert die Türkei nichts, doch Frankreich verliert nicht nur die Türkei, sondern auch ein Stück seiner selbst."
Massaker im Osmanischen Reich
Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Armenier ermordet. Während viele Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen und der türkischen Regierung die Verantwortung zuweisen, räumt die Türkei lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe.
Wer den Massenmorden Genozidcharakter zuschreibt, kann in der Türkei auf Grundlage des umstrittenen Paragraphen 301 des Strafgesetzbuches belangt werden. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Weil er in einem Interview davon sprach, dass in der Türkei "eine Million Armenier umgebracht wurden", griffen ihn türkischen Nationalisten an und er musste sich wegen "Herabwürdigung des Türkentums" vor Gericht verantworten. Das von internationalen Protesten begleitete Verfahren wurde Anfang des Jahres eingestellt.