Frankreich startet Brexit-Notfall-Plan
17. Januar 2019Nach den Worten von Frankreichs Premierminister Édouard Philippe wird das Szenario eines ungeregelten Austritts Großbritanniens "weniger und weniger unwahrscheinlich". Er bedaure die Entscheidung des britischen Unterhauses, das den mit der EU ausgehandelten Vertrag am Dienstag abgelehnt hatte. Nun soll ein Gesetz zur Vorbereitung auf einen ungeregelten Brexit in Kraft treten, das fünf Maßnahmen enthält.
Demnach sollen rund 50 Millionen Euro etwa in französische Flughäfen und Häfen investiert werden. Zudem kündigte Philippe die Rekrutierung von rund 600 Zöllnern und Veterinären an. Diese sollen für die "nötigen Kontrollen" sorgen, sollte bis Ende März kein neues Austritts-Abkommen der EU mit London stehen.
Die französische Regierung befürchtet im Falle eines harten Brexits schwerwiegende Auswirkungen im Reiseverkehr und auf den Agrar- und Fischereisektor, wenn die bisherigen EU-Abkommen zur Zusammenarbeit ersatzlos wegfallen.
"Die Verantwortung der Regierung ist es, das Land vorzubereiten und die Interessen unserer Bürger zu wahren und zu verteidigen", erklärte Philippe mit Blick auf den Notfallplan. Dieser werde bereits seit April 2018 vorbereitet.
Maas: "Auf alle Szenarien vorbereitet"
Auch Deutschland wird nach den jüngsten Entwicklungen seine Vorbereitungen für einen ungeordneten Brexit hochfahren. "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. "Wir setzen unsere Planungen für den Fall eines ungeregelten Brexit fort, und wir werden sie auch noch weiter intensivieren." Zugleich forderte der SPD-Politiker Großbritannien auf, klar zu sagen, welche Lösung das Land anstrebe. "Die Zeit der Spielchen, die ist jetzt ist vorbei, der Ball im Feld Großbritanniens."
Kaum vorstellbar sei allerdings, dass das Austrittsabkommen noch einmal aufgeschnürt werde. "Deshalb kann man eigentlich nur an die britischen Kollegen appellieren: Euren Sinn für schwarzen Humor, den habt ihr in den letzten Tagen eindrücklich unter Beweis gestellt", sagte der Minister. "Jetzt setzen wir mal auf euren legendären Pragmatismus und Realitätssinn."
Eine Fristverlängerung für den bisher für den 29. März vorgesehenen Austritt schloss er nicht aus. Dafür müsse es aber eine klare Perspektive von britischer Seite geben. Ein neues Referendum oder einen Rückzug von der Austrittserklärung sei "reine Spekulation", so Maas.
Bundestag beschließt Gesetz für Brexit-Übergang
Unterdessen hat der Bundestag ein Gesetz gebilligt, das für die im Austrittsvertrag vorgesehene Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 Rechtsklarheit für Bürger und Unternehmer schaffen soll. Bis dahin muss Großbritannien weiter das EU-Regelwerk anerkennen, das Unionsrecht würde also weiter auf das Land angewandt. Bürgern, Wirtschaft und Verwaltungen soll so Zeit verschafft werden, sich an die Folgen des EU-Austritts anzupassen.
Nach geltender Rechtslage würden in Großbritannien lebende Deutsche und in Deutschland lebende Briten mit Einbürgerungswunsch Schwierigkeiten bekommen, wenn ein während der Übergangsphase gestellter Einbürgerungsantrag erst nach 2020 entschieden wird. Dann müssten betroffene Briten in Deutschland ihre britische Staatsbürgerschaft aufgeben, Deutsche in Großbritannien würden ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.
Mit dem Übergangsgesetz, das am 30. März in Kraft treten soll, wird eine Sonderregelung geschaffen, wodurch in diesen Fällen mehrere Staatsbürgerschaften möglich sind. Sollte es allerdings zu einem ungeordneten "No Deal"-Brexit kommen, würde neben dem zwischen London und Brüssel mühsam ausgehandelten Austrittsvertrag auch das Übergangsgesetz hinfällig.
Britisches Parlament stimmt am 29. Januar über "Plan B" ab
Das britische Parlament hatte den von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Brexit-Vertrag mit der EU am Dienstag mit 423 zu 202 Stimmen durchfallen lassen. Ein Misstrauensvotum überstand May am Mittwoch aber. Wie das Parlament mitteilte, sollen die Abgeordneten am 29. Januar über einen "Plan B" für den EU-Austritt abstimmen.
Am kommenden Montag will May darlegen, wie es weitergehen soll. Dazu traf sie sich bereits mit führenden Politikern verschiedener Parteien. Oppositionschef Jeremy Corbyn lehnt Gespräche mit May ab, solange sie einen ungeordneten Austritt aus der EU ohne Abkommen nicht ausschließt.
hk/se (dpa, afp, rtr)