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Wissenschaft in und mit Nordkorea

Brigitte Osterath
26. Februar 2019

Politisch ist Nordkorea isoliert, in der Wissenschaft sieht das anders aus. Ein aktiver Vulkan und Pläne für eine neue Sternwarte erfordern eine internationale Zusammenarbeit. Aber so leicht wie anderswo ist das nicht.

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China Berg Changbai Shan
Der Kratersee des Paektusan an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze ist interessant für Astronomen und Seismologen.Bild: picture-alliance/dpa

Im Juli 2004 reiste Richard Stone zum ersten Mal nach Nordkorea, damals als Redakteur des Wissenschaftsmagazins "Science". Als US-Bürger und Journalist ein Visum zu bekommen, war beschwerlich, erzählt er der DW: "Die USA unterhalten keine diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea, im Prinzip sind die beiden Länder noch immer im Krieg". Aber Stone hatte Glück: Er lernte in der nordkoreanischen Botschaft in Russland den Wissenschaftsattaché Nordkoreas kennen und wurde offiziell eingeladen, das Land zu besuchen.

Stone betrat eine andere Welt. "Die Forscher arbeiteten in einer Art Blase", erzählt er. "Sie konnten keine Konferenzen besuchen, konnten nicht mit anderen Wissenschaftlern außerhalb Nordkoreas diskutieren. Und ihre wissenschaftliche Literatur bestand hauptsächlich aus Fotokopien westlicher Fachzeitschriften von vor 1991."

Und doch stieß der Wissenschaftsredakteur auf Forschungsprojekte mit Substanz, auch abseits der Atomwaffenforschung. So sei es den Nordkoreanern vermutlich schon sehr früh gelungen, Kaninchen zu klonen. "Sie zeigten mir die Kaninchen und sie sahen tatsächlich so aus wie das Original", sagt Stone und lacht. "Aber in Fachzeitschriften veröffentlicht hatten sie die Ergebnisse natürlich nicht. Ich musste ihnen also einfach glauben."

Offen für Kooperationen

Inzwischen sei Nordkorea wissenschaftlich viel weniger isoliert als früher, erzählt Stone. Er ist jetzt Mitglied im "National Committee on North Korea", einer NGO, die den Austausch zwischen Nordkorea und den USA fördert.

"Ich war seit 2004 mehrere Male dort und habe gesehen, wie sich die Forschungsgemeinschaft in Nordkorea der Welt geöffnet hat. Die nordkoreanischen Forscher haben jetzt besseren Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, und das Land hat erkannt, dass Wissenschaft auf Kooperationen angewiesen ist."

Mehr von der AAAS-Konferenz: Was unsere Zähne alles über uns verraten

Participants in the AAAS Session "Science diplomacy and North Korea" (NST - National Research Council of Science and Technology)
Teilnehmer der AAAS-Session über Nordkorea. Einziger Schönheitsfehler: Darunter ist kein einziger Nordkoreaner. Bild: NST (National Research Council of Science and Technology)

Es gibt inzwischen so viele internationale Kooperationen mit Nordkorea, dass der Wissenschaftsrat von Südkorea bereits vom "Anbruch einer neuen Ära" spricht. Für das Treffen der US-Wissenschaftsorganisation "American Association for the Advancement of Science" (AAAS) in Washington DC Mitte Februar organisierte der südkoreanische Wissenschaftsrat sogar eine eigene Sitzung dazu. 

"Wir denken, dass Wissenschaft der beste Start ist, um Vertrauen zwischen zwei Ländern aufzubauen", sagt Sun Hwa Hahn, Geschäftsführerin des Wissenschaftsrats. Offensichtlich spricht sie dabei auch von Nord- und Südkorea.

Allerdings: Nicht ein einziger Nordkoreaner ist bei der Sitzung dabei, weder unter den Rednern noch im Publikum. Die Einreise in die USA ist und bleibt für Nordkoreaner extrem schwierig.

Astronomie verbindet

Beim AAAS-Meeting stellt Hong-Jin Yang, Forscher am südkoreanischen Astronomy and Space Science Institute in Daejeon, seine ehrgeizigen Pläne vor: eine gemeinsame Sternwarte von Süd- und Nordkorea auf nordkoreanischem Boden. Sie soll auf dem Paektusan entstehen, auf dem über 2700 hohen Meter Berg an der Grenze zu China. "Es ist der höchste und dunkelste Berg auf der koreanischen Halbinsel mit sehr guter Sicht", sagt Yang.

Die Voraussetzungen für so ein Projekt sind nicht schlecht: Erst 2012 trat Nordkorea wieder der Internationalen Astronomischen Union (IAU) bei, einer weltweiten Vereinigung von Astronomen mit Sitz in Paris. Das Land war 1996 aus der IAU ausgeschlossen worden, da es keine Mitgliedsbeiträge mehr bezahlt hatte.

"Ich war sehr froh, als sie wieder beigetreten sind", sagt George Miley im DW-Interview, ehemaliger Leiter der Sternwarte im niederlänischen Leiden und damals stellvertretender Präsident der IAU. "Und ich hoffe, dass die Kooperationen weiter wachsen. Denn wenn die Astronomie nicht international ist, was dann?" Vor vier Jahren hatte Miley auch zwei Gastforscher aus Nordkorea zu Besuch am Leidener Institut.

Hong-Jin Yang auf der AAAS Session Science diplomacy and North Korea (NST - National Research Council of Science and Technology)
Ambitionierte Pläne: Der Südkoreanische Astronom Hong-Jin Yang möchte ein Observatorium im Norden voranbringen. Bild: NST (National Research Council of Science and Technology)

Erschwerte Kommunikation

Hong-Jin Yang und seine nordkoreanischen Fachkollegen planen zwar ein gemeinsames Observatorium, haben bisher aber nie persönlich ein Wort miteinander gewechselt. Südkoreanern ist es verboten, direkt mit Nordkorea zu kommunizieren. "Wir müssen über das südkoreanische Ministerium für Wiedervereinigung gehen", berichtet Yang im DW-Interview. "Das Ministerium vermittelt unsere Nachricht dann nach Nordkorea. Es ist nicht einfach und nicht schnell."

"Nordkorea ist eine versteckte Gesellschaft", fügt Sun Hwa Hahn hinzu. "Es ist schwierig, die richtige Kontaktperson zu finden und die dann auch zu kontaktieren." Stone kann von den USA aus zwar mit nordkoreanischen Forschern über Email kommunizieren, aber es gebe immer nur Instituts-Sammeladressen, sagt er. "Eine Antwort kommt nicht über Nacht."

Aber Yang ist optimistisch, dass sich die politische Situation weiter entspannt und er bald auch einmal nach Nordkorea reisen kann, um seine Fachkollegen kennenzulernen. Spätestens, wenn die Sternwarte tatsächlich gebaut wird. Zudem hofft er, dass die Nordkoreaner zum nächsten Treffen der IAU anreisen werden, das 2021 in Südkorea stattfinden wird. 

Himmelssee am Vulkan Paektusan
Der Kratersee des Vulkans Paektusan. Zuletzt ist er im Jahr 1903 ausgebrochen. Bild: Richard Stone

Ein Vulkan verlangt Aufmerksamkeit

Der Berg Paektusan ist nicht nur ein favorisierter Ort für eine Sternwarte – er ist auch ein aktiver Vulkan. Sein Ausbruch im Jahr 946, bekannt als ein "Jahrtausendausbruch", war laut Richard Stone "eine der drei größten Vulkanausbrüche in den letzten 10.000 Jahren". 

Seit 2002 gibt es vermehrt Erdbeben an der ehemaligen Ausbruchsstelle, und der Berg ist messbar angeschwollen, vermutlich durch einen Magma-Teich im Inneren. Ein erneuter großer Ausbruch würde nicht nur China, sondern auch Südkorea und sogar Japan in Mitleidenschaft ziehen, sagt Stone. "Der Vulkan ist nur wenig untersucht. Wir wissen bisher nicht einmal, warum der Vulkan überhaupt existiert, denn er liegt nicht am Pazifischen Feuerring, wo so viele andere große Vulkane sind."

Auf Wunsch Nordkoreas brachte Richard Stone im Jahr 2011 erstmals britische Vulkanologen und Seismologen ins Land. In den darauffolgenden Jahren installierten sie mehrere Seismometer am Vulkan, um die Magmakammern im Innern des Vulkans abzubilden. "Wir haben die Ergebnisse veröffentlicht", sagt Stone, "und zwar zusammen mit den nordkoreanischen Wissenschaftlern. Sie nehmen an der Auswertung teil. Wir gehen nicht ins Land, sammeln Daten und veröffentlichen die dann später alleine." Stone ist sich sicher: Solche Kooperationen funktionieren durch eine echte Zusammenarbeit. 

Die britischen Forscher James Hammond und Clive Oppenheimerinspizieren Asche, die der nordkoreanische Vulkan Paektusan bei seinemAusbruch im Jahr 946 in die Luft schleuderte.
Die Briten James Hammond und Clive Oppenheimer inspizieren Ascheschichten des Vulkanausbruchs von Paektusan Bild: Richard Stone

Hürden bleiben

Trotz allem: In und mit Nordkorea zu forschen, bleibt mühsam. Beispielsweise gebe es in Nordkorea so gut wie keinen Internetzugang, sagt Richard Stone. Das mache es schwierig, mit Kooperationspartnern Daten auszutauschen. Aufgrund der Sanktionen gegen Nordkorea brauche ein Forschungseinsatz zudem viel Vorbereitung, ganz besonders, wenn die USA beteiligt sind. "Man muss die US-Regierung davon überzeugen, dass das Projekt wichtig ist und nicht gegen nationale Interessen verstößt, vor allem nicht dem nordkoreanischen Programm für Massenvernichtungswaffen hilft." 

Für alles, was die westlichen Forscher ins Land einführen wollen, brauchen sie eine Erlaubnis von der Regierung ihres Landes, führt Stone aus, "vom Laptop bis zum USB-Stick." Noch immer warteten sie auf die Genehmigung für ihre nächsten Vulkanvermessungen, die für den kommenden Sommer geplant sind.

Alle Redner auf der AAAS-Session in Washington DC bangen und hoffen daher auf das nächste Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Kim Jong-un, das für den 27. Februar anberaumt ist. "Es gibt große Erwartungen, dass das Treffen gut verläuft und zu einer Entspannung bei den Sanktionen führt", sagt Stone – "und dass unsere Arbeit in Nordkorea in Zukunft vielleicht ein kleines bisschen leichter wird."