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Autor und Hirnforscher Oliver Sacks gestorben

Jan Bruck30. August 2015

Er war Forscher und Schriftsteller zugleich. Seine einfühlsamen und humorvollen Patientengeschichten machten seine Bücher einzigartig. Und auch über sein Sterben schrieb Oliver Sacks noch kurz vor seinem Tod.

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USA Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinartz

Ob schreibender Neurologe oder forschender Schrifsteller, so genau lässt sich Oliver Sacks nicht definieren: Auf beiden Feldern brillierte er. Sacks schrieb über die mitunter abwegigen Pfade des menschlichen Gehirns und erkundete mit seinen witzig geschrieben Fallgeschichten die Natur des Menschen. Nun ist Oliver Sacks im Alter von 82 Jahren in seinem Haus in New York gestorben, wie seine Assistentin der "New York Times" bestätigte.

Mit Krankheitsbildern zum Bestseller

Als Arzt und Schriftsteller erreichte der gebürtige Brite eine ungeheure Popularität, vor allem in den USA. Dort verkauften sich seine Bücher mehr als eine Millionen Mal. Es sind zuallererst populärwissenschaftliche Bücher, in denen Sacks anschaulich, oft humorvoll über neurologische Krankheitsbilder schreibt. Sein wohl bekanntestes Buch ist eine Sammlung von 24 Fallgeschichten mit dem Titel "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" aus dem Jahr 1985. Dr. Sacks selbst bezeichnete seine Werke als "Pathographien" oder "neurologische Romane".

So erzählte er beispielsweise die Geschichte seiner blinden Patientin Madleine J., die ihre Hände als "nutzlose Teigklumpen" betrachtete. Oder die des U-Boot-Funkers Jimmie G., der sich für Jahrzehnte im Jahr 1945 wähnte; oder eben die Geschichte des Dr. P., der seine Frau für einen Hut hielt, weil sein Gehirn nicht mehr entziffern konnte, was seine Augen sahen.

"Inspiriender Mensch"

USA Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks
Renommierter Hirnforscher: Oliver SacksBild: Getty Images/T. Robinson

Seine Bestseller verhalfen Sacks zu einem für Forscher ungewöhnlichen Ruhm. Sie wurden verfilmt oder für das Theater adaptiert. Von begeisterten Lesern erhielt er jedes Jahr mehr als 10.000 Briefe. "Ich antworte ohne Ausnahme jedem Absender, der unter 10, über 90 oder im Gefängnis ist", sagte er einmal. Sein Buch "Awakenings" (1973) wurde mit Robert DeNiro in der Hauptrolle verfilmt, 1991 gab es für den Film eine Oscar-Nominierung.

Nach Bekanntwerden von Sacks Tod zollten ihm Schriftsteller-Kollegen Anerkennung für seine einzigartigen Werke. Die erfolgreichste britische Schriftstellerin J.K. Rowling beschrieb Sacks als einen "großartigen und inspirierenden Menschen".

Unbändige Neugier

Mit seinen Fallgeschichten porträtierte Sacks Menschen, die aus der Normalität gefallen waren. "Eine winzige Hirnverletzung, und wir geraten in eine andere Welt", sagte er einmal. Sich selbst sah er als Entdecker und "Naturalisten". Seine unbändige Neugier ließ in über die unterschiedlichsten Dinge forschen und schreiben: das Alter, die Wahrnehmung von Farben, Zwillinge, Sigmund Freud, Halluzinationen oder Fotografie.

Erst in diesem Jahr hatte Sacks seine Autobiographie "On the Move – Mein Leben" veröffentlicht. Neben seiner persönlichen Lebensgeschichte enthält auch dieses Werk wieder viele lebensnahe, komische, heitere und natürlich auch traurige Fallgeschichten.

Im Februar hatte Sacks in einem Essay für die "New York Times" verkündet, dass er an Krebs in fortgeschrittenem Stadium leide. "Mein Glück ist zur Neige gegangen", erklärte er. Der Tod sei für ihn "nicht länger ein abstraktes Konzept" sondern "eine allzu nahe, nicht zu verneinende Gegenwart". Oliver Sacks letzte Patientengeschichte, die seine Leser über das Sterben lehren sollte, war seine eigene.