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"Die Bundeswehr tut viel"

Peter Hille2. November 2015

Tausende Bundeswehr-Soldaten helfen derzeit in der Flüchtlingskrise. Es könnten noch mehr werden, sagt SPD-Politiker Rainer Arnold. Doch ihr Einsatz hat Grenzen.

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Bundeswehrsoldaten helfen am 24.10.2015 bei der Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einem Hangar des ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin. Foto: Gregor Fischer/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

DW: Herr Arnold, zurzeit stehen rund 4000 Soldaten bereit, bei der Flüchtlingshilfe mit anzupacken. Ist das genug? In vielen Kommunen fehlt es an allen Ecken und Enden.

Rainer Arnold: Die Bundeswehr tut wirklich schon sehr viel. Sowohl beim Aufbau von Feldbetten, Lagern, als auch bei der Erstaufnahme. Sie transportiert mit ihren Omnibussen Schutzsuchende. Aber ich würde auch nicht ausschließen, dass es noch mehr werden kann über die 4000 hinaus. Die Zahl ist nicht immer ausgeschöpft, die Kommunen können dies beantragen. Und wenn die Bundeswehr mehr leisten kann, wird sie das sicher auch gerne tun.

Rainer Arnold, SPD (Foto: Hannibal/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++)
Rainer Arnold ist verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen BundestagBild: picture-alliance/dpa

Die Bundeswehr hat auch in Kasernen Platz geschaffen für fast 30.000 Flüchtlinge. Denken Sie, das kann noch ausgeweitet werden?

Da kommt man jetzt an einen Punkt, an dem nicht mehr sehr viel geht. Es gibt Liegenschaften, die hat die Bundeswehr nicht mehr selbst, die werden von einem Bundesamt verwaltet. Die stehen problemlos zur Verfügung. Dort wo selbst noch Soldaten sind, muss man genau schauen, ob man die Liegenschaft so abtrennen kann, dass die Unterkunft für Flüchtlinge und die Arbeitsmöglichkeit für die Soldaten getrennt werden können. Das ist nicht überall der Fall. Ich gehe davon aus, dass hier die Spielräume sehr, sehr klein werden.

Soldaten sind auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Einsatz, wo Asylanträge bearbeitet werden. Verstößt das nicht gegen die Verfassung?

Nein, die Bundeswehr darf Amtshilfe nach Artikel 35 unseres Grundgesetzes leisten. Und wenn die Soldaten hier Bürotätigkeiten erfüllen, dann ist das noch Amtshilfe. Die Bundeswehr darf keine Staatlichkeit durchsetzen, auf keinen Fall mit Gewaltanwendung staatliche Autorität durchsetzen. Sie darf aber bei diesem Bundesamt helfen, kann zum Beispiel die Daten erheben und im Bereich der Kommunikationstechnik arbeiten - und vieles andere mehr.

Henning Otte, Verteidigungsexperte von der CDU, hat gefordert, dass die Bundeswehr die Grenzen nach Österreich und Tschechien sichert, um den "unkontrollierten Übergang von Flüchtlingen" zu unterbinden. Was halten Sie davon?

Das ist mit Amtshilfe nicht mehr machbar und würde gegen unsere Verfassung verstoßen. Wenn er sagt "Grenze sichern", dann heißt das ja, dass Staatlichkeit auch durchgesetzt werden muss - und das darf die Bundeswehr nicht. Die Bundeswehr könnte Amtshilfe leisten, indem sie beispielsweise Aufklärung technischer Art zur Verfügung stellt. Aber ich glaube, Herr Otte muss aufpassen, dass er keine Scheinlösungen anbietet. Unsere Grenze kann man nicht sichern. Er meint ja letztlich abschotten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die kommen, in Einrichtungen empfangen werden, wo sie auch zügig erfasst werden können. Wo geklärt wird: Haben sie eine Chance auf Bleiberecht oder müssen sie zurück? Hier ist aber die Bundespolizei in der Pflicht und auch der Innenminister. Und niemand hindert ihn daran - die Mittel stehen bereit - auch den Personalkörper der Bundespolizei zu erhöhen.

Und denjenigen, die kein Bleiberecht erhalten, droht dann künftig die Abschiebung in einer Bundeswehr-Transall?

Es fehlt ja nicht an Flugkapazitäten, das ist nicht das eigentliche Problem. Sondern, dass man nicht konsequent genug abgeschoben hat und dass manche Asylsuchende, wenn sie zurückgeschickt werden sollen, nicht mehr auffindbar sind. Das ist nicht Aufgabe der Bundeswehr. Ich sage ganz klar: Ich möchte nicht sehen, dass Soldaten in einer komplizierten Gemengelage möglicherweise durch Zwangsanwendung Menschen zurückführen. Das wäre grundgesetzwidrig. Ich möchte aber auch diese Bilder nicht sehen, dass Soldaten das tun. Ich möchte ihnen das nicht zumuten. Dafür sind sie nicht zu den Streitkräften gekommen.

Rainer Arnold ist seit 2002 verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.