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Wie steht es um die Luftfahrtbranche?

Brigitte Scholtes Frankfurt am Main
20. Juni 2022

Die Urlaubszeit startet in Deutschland - aber für viele fängt die Reise an den Traumstand mit einer Menge Frust an den Flughäfen an. Ein Blick auf die Branche kurz vor Beginn der Luftfahrtschau ILA.

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Warteschlangen am Flughafen Düsseldorf.
Warteschlangen am Flughafen Düsseldorf. So mancher verpasste gar seinen Flug. Bild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Chaos an deutschen Flughäfen

Der Reiseverkehr im Mai und den ersten Wochen des Juni hat eine Vorahnung gegeben, wie es im Sommer an Europas Flughäfen aussehen könnte. Passagiere werden in den kommenden Wochen vor allem eines brauchen: Geduld. Denn an den deutschen Flughäfen werden die Warteschlangen vor den Abfertigungen immer länger. Der wesentliche Grund: Personalmangel bei den Dienstleistern - seien es die Sicherheitskräfte oder die Mitarbeiter auf dem Vorfeld, die das Gepäck in die Flugzeuge laden oder diese entladen. Gerade erst verkündete der Billigflieger Easyjet, in den kommenden Wochen wegen Personalmangels Tausende Flüge zu streichen.  

Während der Pandemie haben viele Dienstleister Mitarbeiter entlassen, die sich inzwischen häufig besser bezahlte Jobs gesucht haben. Und wenn sie zurückkehren möchten, dann müssen sie zunächst eine langwierige Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, sagt Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV. Aktuell fehle etwa ein Fünftel des operativen Personals an den Flughäfen, deshalb fordert er eine beschleunigte Prüfung, damit diese Mitarbeiter schneller eingestellt werden könnten: "Eine Sicherheitsüberprüfung kann nicht acht Wochen dauern, dann ist nämlich die Sommerferienzeit schon wieder vorbei."

Annulliert - steht auf einer Anzeigetafel des Flughafens Frankfurt am Main
Viele Airlines haben Tausende von Flügen im Sommer gestrichen - vor allem wegen Personalmangel am Boden und in der Luft. Bild: Fredrik von Erichsen/dpa/picture alliance

Es fehlt überall an Personal

An Personal fehlt es aber nicht nur am Boden. Auch in der Luft gibt es Engpässe. Lufthansa etwa muss für den Juli Hunderte Flüge streichen, weil es an Bordpersonal fehlt. Die Gewerkschaften fühlen sich bestätigt: "Dass der radikale Stellenabbau in vielen Bereichen der Luftfahrt sich bei der Erholung negativ auswirken würde, war seit langem klar", meint der Präsident der Pilotenvereinigung Cockpit, Stefan Herth. Schnell genügend Piloten zu finden ist jedoch nicht leicht - und das gilt weltweit. In den USA würden derzeit Piloten im Regionalverkehr zu Konditionen eingestellt, die besser seien als die, die zuvor als Maximum galten, sagt Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte aus Hamburg.

Die Macht der Arbeitnehmer steigt also. In Deutschland könnte sogar ein Pilotenstreik bei der Lufthansa drohen, weil das Management in der Kerngesellschaft mit weniger Jets fliegen und stattdessen mehr Verkehr in die günstigere Tochter Eurowings verlagern will. Denn Lufthansa muss Kosten sparen. Die Airline hat in der Corona-Pandemie stark gelitten und möchte sich nun neu aufstellen. Gleichzeitig aber will man die Passagiere schnell wieder bedienen. Doch das wird eben schwierig: "Ich habe mich schon in den letzten Wochen mehrfach bei unseren Kunden entschuldigen müssen, und ich befürchte, ich werde es auch im Sommer das ein oder andere Mal noch tun müssen", gestand Lufthansa-Chef Carsten Spohr schon im Mai ein. 

Teures Kerosin, lange Umwege

Es gibt noch weitere Probleme: Die Treibstoffpreise haben wegen des Ukraine-Krieges stark angezogen. Der russische Luftraum ist gesperrt - deshalb müssen die Flugzeuge, die nach Fernost fliegen, teure Umwege in Kauf nehmen. Hohe Kosten also, die einige Fluggesellschaften in Bedrängnis bringen dürften, sagt Luftfahrtexperte Großbongardt, der auch mit einigen Pleiten rechnet - etwa von kleineren nationalen Fluggesellschaften, die vor allem staatlich unterstützt werden, die aber nicht wirklich rentabel fliegen können. Die dürften auch keine Zuflucht bei den großen Netzwerkcarriern wie Lufthansa, der British Airways-Mutter IAG  oder Air France/KLM finden. Stattdessen interessiert sich etwa die Lufthansa für Fluggesellschaften wie die Alitalia-Nachfolgerin ITA Airways. Auch die schwedische Fluggesellschaft SAS könnte bald zu den Übernahmekandidaten gehören, vermutet Großbongardt.

Geparkte Lufthansa-Maschinen auf dem Rhein-Main-Airport
Düstere Corona-Zeiten: Geparkte Lufthansa-Maschinen auf dem Rhein-Main-AirportBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Vor diesem Hintergrund beginnt in Berlin-Schönefeld am Mittwoch dieser Woche die eigentlich alle zwei Jahre stattfindende Internationale Luftfahrtausstellung (ILA). Doch wegen der Pandemie war sie 2020 ausgefallen. Dort dürfte wegen des Krieges in der Ukraine zwar die militärische Luftfahrt stärker als zuvor im Mittelpunkt stehen. Ein weiteres großes Thema wird aber auch der Umweltschutz sein.

Noch immer Milliardenverluste

Der gibt eigentlich den Flugzeugherstellern, allen voran Airbus und Boeing, Auftrieb. Denn der Einsatz von sparsameren Flugzeugen hilft den Fluggesellschaften beim Erreichen der Emissionsziele. So rechnet etwa Airbus bis 2040 mit einem Bedarf von 39.000 Flugzeugen, mit denen die älteren, weniger treibstoffeffizienten Flugzeuge ersetzt werden sollen. Boeing erwartet bis 2040 ein jährliches Passagierwachstum von 3,1 Prozent allein für Europa. Solche Prognosen hält Heinrich Großbongardt von expairtise jedoch für zu optimistisch. Ein solches Wachstum werde es angesichts der zahlreichen Probleme kaum geben können, zumal wegen der steigenden Kosten auch die Ticketpreise steigen.

Immerhin sieht die Luftfahrtbranche nach zwei herben Verlustjahren wegen der Corona-Pandemie Grund für Zuversicht. Für 2023 könnten endlich wieder schwarze Zahlen möglich sein, sagte der Generaldirektor des Weltluftfahrtverbands IATA, Willie Walsh, bei der Generalversammlung am Montag in Doha. Für das laufende Jahr rechnet die Branche allerdings nochmal mit Verlusten in Höhe von umgerechnet 9,7 Milliarden Dollar. Klingt viel, ist aber dramatisch weniger als in den Corona-Jahren 2020 und 2021, als sich die Verluste auf 138 Milliarden bzw. 42 Milliarden Dollar summierten.