Flucht vor der Justiz: Rumänien, Ade!
6. April 2018Der prominenteste Fall: Sebastian Ghita, 40 Jahre alt, ehemaliger sozialdemokratischer Abgeordneter und "Enfant terrible" der rumänischen IT-Industrie. Im Dezember 2016 verließ er fluchtartig Bukarest, nur wenige Stunden bevor ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werden sollte. Am Tag seiner Flucht hatte er noch an einer Weihnachtsfeier des rumänischen Inlands-Geheimdienstes SRI teilgenommen - zusammen mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Polizei und Justiz.
Hausarrest im Nachbarstaat
Gegen Ghita wird wegen Geldwäsche, Korruption, Bestechung und Erpressung ermittelt. Die rumänischen Behörden ließen ihn per internationalem Haftbefehl suchen, im April 2017 wurde er in Belgrad festgenommen. Mit falschem Namen und slowenischem Pass hatte er sich in der serbischen Hauptstadt sicher gefühlt. Nach sechs Wochen Vorbeugehaft entließen ihn die serbischen Behörden gegen eine Kaution von 200.000 Euro und stellten ihn unter Hausarrest.
Zwischen Serbien und Rumänien besteht kein Auslieferungsabkommen. Und bevor über eine mögliche Auslieferung verhandelt wird, muss die serbische Justiz den Vorwurf seiner illegalen Einreise klären. Ein Vorgang, der offensichtlich viel Zeit in Anspruch nimmt.
Reichtum und Politik
Das Vermögen des ehemaligen Abgeordneten wird auf 100 Millionen Euro geschätzt. Den Großteil davon hat Ghita mit der flächendeckenden IT-Ausstattung staatlicher Institutionen verdient. Bereits als 23-jähriger Student der Universität für Erdöl- und Erdgastechnik in der südrumänischen Stadt Ploiesti war er ins Blickfeld der Justiz geraten. Seine junge IT-Firma Asesoft soll dubiose Geschäfte mit Treibstoff abgewickelt und Steuern hinterzogen haben. Einer seiner damaligen Geschäftspartner mit guten Kontakten zum rumänischen Geheimdienst war in den 90er Jahren während des Erdölembargos gegen das frühere Jugoslawien in einen Skandal um illegale Erdöllieferungen aus Rumänien verwickelt.
Den Sprung vom lokalen zum nationalen Oligarchen schaffte Ghita durch seine Annäherung an die Sozialdemokratische Partei PSD. Seine Freundschaft zum PSD-Chef und späteren Premierminister Victor Ponta sicherte ihm hoch dotierte IT-Verträge. Den Sprung in die Politik verdankt er auch Ponta. Die rumänische Staatsanwaltschaft verdächtigt Ghita, im Frühjahr 2012 den Auftritt des früheren britischen Premiers Tony Blair bei einer Wahlkampfveranstaltung der PSD in Bukarest mit 200.000 Euro finanziert zu haben. Im Gegenzug soll er einen guten Listenplatz der Partei für den erfolgreichen Einzug ins rumänische Parlament bekommen haben. Der Hintergrund: Als Abgeordneter kam er in den Genuss der parlamentarischen Immunität. Und die hatte er wegen mehrerer Verfahren gegen ihn bitter nötig. Zudem mussten die Prozesse laut rumänischer Gesetzgebung wegen seiner Zugehörigkeit zum Parlament von einer höheren Instanz neu aufgerollt werden.
Trotz seiner Probleme mit der Justiz wurde Ghita 2012 Sekretär des parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollgremiums. Inzwischen war er ins Mediengeschäft eingestiegen und hatte einen TV-Nachrichtensender gekauft.
Und immer wieder Belgrad
Im Dezember 2016 schaffte Ghita den Sprung ins Parlament nicht mehr. In der Zwischenzeit hatte die Antikorruptionsbehörde DNA weitere Unregelmäßigkeiten entdeckt. Eine von Ghita kontrollierte Firma hatte von Belgrad einen Millionenauftrag zur Sicherung der serbischen Grenzen bekommen. Regierungschef in Belgrad war damals der heutige Präsident Aleksandar Vucic. Jener Präsident Vucic, der vor wenigen Wochen seinen Freund und ehemaligen rumänischen Premier Ponta zum persönlichen Berater gemacht und ihm die serbische Staatsbürgerschaft verliehen hat.
Ähnlich wie Ghita ist auch Ponta in mehrere Korruptionsfälle verwickelt. Noch hält sich Ponta in Rumänien auf, einem Land, aus dem nicht nur mehrere hochrangige Politiker vor der Justiz geflohen sind. Die ehemalige Ministerin Elena Udrea hat sich nach Costa Rica abgesetzt. Pikantes Detail in diesem Fall: Zusammen mit ihr hat sich auch eine ehemalige Staatsanwältin dort niedergelassen. Der frühere Bürgermeister der Schwarzmeer-Hafenstadt Constanta, Radu Mazare, wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt, hat sich als "Investor" nach Madagaskar zurückgezogen. Für all diese und noch weitere Personen, die Rumänien fluchtartig verlassen haben, gilt: Sie hatten direkten Zugriff auf Staatsgelder. Und alle werfen aus ihrem Versteck heraus der Antikorruptionsbehörde DNA vor, ihre Prozesse seien politisch motiviert.
Zurück zum Fall Sebastian Ghita: Regelmäßig wartet er in seinem TV-Sender mit "Enthüllungen" auf und greift aus seinem Belgrader Exil alle staatlichen Institutionen an, die gegen ihn ermitteln. Ein Verfahren, das inzwischen in Rumänien fast schon zum "Nationalsport" der korrupten Oligarchen und Politiker geworden ist.
Beobachter schließen eine weitere Entwicklung nicht aus: Ghita könnte auch ein Versuchsballon für Ponta sein. Wenn die Belgrader Justiz Ghita vor dem Zugriff der rumänischen Behörden bewahren kann, wäre es auch für Ponta einfach, auf sein mögliches Urteil auf der anderen Seite der Donau, also in Serbien, zu warten.