Jetzt erst recht
28. November 2008Dass die Konferenz in Doha inmitten einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise stattfindet, konnte vor einem Jahr, als der Termin beschlossen wurde, niemand ahnen. Einige forderten deshalb, die Konferenz abzusagen. Ihr Argument: Wer würde sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, wie in den armen Regionen der Welt Entwicklung finanziert werden kann, wenn in den reichen Ländern das Finanzsystem kollabiert?
Jetzt erst recht
Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist dagegen froh, dass die Konferenz trotzdem stattfindet. Angesichts der gewaltigen Rettungspakete von mehreren hundert Milliarden Dollar, die in Deutschland, den USA und anderswo zur Rettung des Bankensektors geschnürt wurden, sei es ein guter Zeitpunkt, die Weltgemeinschaft an andere große Aufgaben zu erinnern. „Wenn die Mittel zur Rettung von Banken zur Verfügung stehen, dann müssen die Mittel auch mobilisiert werden können zur Rettung der Welt vor Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit und Klimawandel“, so die Ministerin.
Trotzdem bleibt die Befürchtung, dass der Appell nicht fruchtet. Einige Experten sehen die Entwicklungsländer besonders stark betroffen durch die Finanzkrise. Banken sind extrem zurückhaltend bei der Kreditvergabe, Unternehmen verschieben Investitionen, ziehen Geld ab und meiden alles, was riskant wirkt.
Wer soll das bezahlen?
Die erste große Konferenz zur Finanzierung von Entwicklung fand vor sechs Jahren im mexikanischen Monterrey statt. In Doha wird nun die Frage erörtert, was noch zu tun bleibt, will man zumindest noch eine Chance haben, die Millenniumsziele zu erreichen. Bekämpfung der Armut, mehr Bildung, bessere medizinische Versorgung, nachhaltige Entwicklung – man könnte die ganze Liste durchgehen, eine Frage bleibt: Wie lässt sich das finanzieren?
Über die Höhe der klassischen Entwicklungshilfe, also Geld, das die reichen Länder an die Armen zahlen, wird auch in Doha gestritten werden. Und doch ist das nur einer von vielen Punkten auf der Tagesordnung, sagt Jens Martens. Er leitet das Europabüro des Global Policy Forum, einer Nicht-Regierungsorganisation, die das Geschehen innerhalb der Vereinten Nationen analysiert. „Die offizielle Entwicklungshilfe macht insgesamt rund 100 Milliarden Euro pro Jahr aus“, sagt Martens. „Dem gegenüber steht aber ein Vielfaches, man schätzt zwischen 500 und 900 Milliarden Dollar, das durch Kapitalflucht jedes Jahr aus den Ländern des Südens auf Bankkonten in Steueroasen, nach Liechtenstein, der Schweiz oder den Cayman Islands fließen.“
Geld fließt ab statt zu
Mit anderen Worten: Selbst wenn man die Milliardenhilfen berücksichtigt, verlieren die Entwicklungsländer unter dem Strich Geld. Martens zufolgen schaffen nicht nur korrupte Eliten ihr Geld aus dem Land. Auch international tätige Konzerne nutzen Kapitalflucht, um Steuern zu sparen. Martens nennt Beispiele: Mal werden Gabelstapler für einen Dollar ins Ausland verkauft, mal Taschentücher für 1000 Dollar pro Packung. „Mit solchen Tricks – und es gibt tausende Beispiele – sparen Unternehmen Steuern. Sie machen dort Gewinne, wo die Steuern niedrig sind, und Verluste, wo die Steuern hoch sind.
Der deutschen Bundesregierung ist die Bekämpfung der Kapitalflucht ein besonderes Anliegen, sagt Ministerin Wieczorek-Zeul. Beim Thema internationaler Handel erwartet sie dagegen keine großen Ergebnisse – einfach deshalb, weil die Gespräche innerhalb der Welthandelsorganisation vorerst gescheitert sind. Die unvollendete Welthandelsrunde, die besonders Entwicklungsländern zugute kommen sollte, begann 2001 - ebenfalls in Doha. Pessimisten mögen das als böses Omen sehen.
Jens Martens gehört nicht dazu. Das Abschlussdokument, auf das sich Vertreter aus aller Welt in Doha einigen wollen, beinhaltet noch sehr viele strittige Passagen. Doch der NGO-Mitarbeiter gibt sich routiniert. „Das ist immer die Dramaturgie solcher Verhandlungsprozesse in den Vereinten Nationen. Die Regierungen werden in Doha, wahrscheinlich in vielen Nachtsitzungen, über die letzten strittigen Punkte diskutieren und verhandeln. Und dann, am 2. Dezember, wahrscheinlich abends um acht, wird es dann doch ein Abschlussdokument geben.“