1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fernsehen für Schwule und Lesben

Andreas Leixnering8. Juli 2004

Der US-Medienriese Viacom plant mit Konzerntochter MTV einen Fernsehsender für Homosexuelle. Amerikas Sittenwächter schreien auf. Medienanalysten sind skeptisch, ob Logo ein Erfolg wird.

https://p.dw.com/p/5Ho5
Logo heißt das Homosexuellen-TV in Planung

"MTV, einer der schändlichsten Fernsehsender, die es gibt, hat gerade seine Pläne verkündet, im Februar 2005 Logo zu starten, einen Kabelkanal für Homosexuelle." Reverend Louis P. Sheldon, Vorsitzender der amerikanischen Traditional Values Organization, redet den 430.000 Mitgliedern auf seiner Internetseite ins Gewissen: "Dadurch wird das Fernsehen nicht besser. Es wird moralische Anarchie und einen ernsthaft gestörten Lebensstil fördern." Dem Projekt zugetane Werbekunden sollen boykottiert werden.

Wirklich überraschen konnten Sumner Redstone die rituellen Angriffe aus dem rechten Lager wohl kaum. Der 81-jährige Chef des Medienriesens Viacom hat sich ohnehin eine dicke Haut zulegen müssen. Die Live-Enthüllung von Janet Jacksons Brust im Tochtersender CBS während des Superbowl brachte das prüde Amerika erst unlängst in Rage und seinem Unternehmen eine Strafe von vermutlich 550.000 Dollar ein. Da wirkt es beinahe kühn, das neue Projekt Logo erst so kurz danach vom Stapel zu lassen.

Ambitionierte Pläne für das Programm

30 Millionen Dollar will Sumner Redstone für den ersten US-Kabelsender für Schwule und Lesben locker machen. Mainstream-Unterhaltung für gleichgeschlechtliche Frauen und Männer, kein Sex: Serien, Reality-Formate und Spielfilme sollen das 24-Stunden Programm füllen. Ein Viertel davon werden Eigenproduktionen bestreiten, die in Zusammenarbeit mit den Töchtern MTV, VH1, TV Land, CMT, Comedy Central, Showtime und CBS News ausgetüftelt werden. Hundert Filme hat Viacom bereits eingekauft, darunter Lieblinge der Gay-Szene wie "Whatever happened to Baby Jane?" mit Bette Davis und Joan Crawford.

Logo Viacom
Der US-Medienkonzern Viacom plant Logo seit längerem

Zu Beginn soll Logo in insgesamt 14 Millionen Haushalten in Los Angeles, San Francisco, Atlanta, New York, Boston und Philadelphia empfangbar sein, später dürfen es bei guter Resonanz auch gerne mehr werden. Ausgestrahlt wird das Programm über Netzbetreiber wie Time Warner Cable, mit denen man momentan verhandelt.

"Bei Logo geht es um Identität: Um individuelle und kollektive Identitäten der schwul-lesbischen Gemeinschaft, die erstaunlich vielfältig, aber trotzdem durch ähnliche Ansichten und Gefühle geprägt sind." Ein wenig abstrakt beschreibt Judy McGrath die Senderideologie, bei MTV Networks ist sie zuständig für Musik und Comedy. Der Sendername bezeichne die Bedeutungsvielfalt von Identität, genauso wie der Beisatz: "Zusammen anders"

Die zahlungskräftige Zielgruppe

Homoehe
Homosexuelle im Fokus von WerbestrategenBild: AP

Noch mehr als die Identitäten von Homosexuellen dürfte den Konzern wohl deren Kaufkraft interessieren. Laut Viacom leben 15 Millionen Homosexuelle in den USA, die über ein Vermögen von 485.000 Milliarden Dollar verfügten. Meist kinderlos, besser gebildet und markentreu: Die perfekten Konsumenten.

Hoffentlich bekommen das auch die potentiellen Werbekunden mit. Denn letztendlich entscheiden sie über Erfolg oder Misserfolg von Logo, wobei die Einschaltquoten natürlich auch eine wesentliche Rolle spielen. Laut der Webseite des Senders laufen bereits Verhandlungen mit Unternehmen wie General Motors, American Express, Avis und Pfitzer, die schon zuvor die gleichgeschlechtliche Klientel beworben hatten. Weil kaum eine Firma mit explizit homosexuellen Inhalten wirbt, will Viacom deren Werbebotschaften in Form von product placement, Gewinnspielen und ähnlichem "in das Programm integrieren".

"Zusammen anders?"

US-Medienanalysten glauben, dass Logo es schwer haben wird. Homosexuelle als Zielgruppe - das ist gerade in Amerika nicht besonders neu. Schwule Pay-TV-Programme wie das kanadische PrideVision oder here! TV aus Los Angeles gibt es bereits. Während die Kanadier wegen mangelnder Resonanz in den USA schon knapp am Bankrott vorbei schlitterten, plant das nur über Satellit empfangbare Programm von der Westküste zu expandieren.

Bei den Bezahlsendern geht es in Sachen Sex und Erotik nicht gerade zimperlich zu. Für Logo als Kabelkanal undenkbar: Sex und Flüche strikt verboten. Der Fokus auf brave Mainstream-Kost könnte laut US-Kommentatoren ein Nachteil sein. Für Erotik gäbe es Pay-TV, gute Serien mit homosexuellen Protagonisten liefen bereits in anderen Sendern. Da bleibe nicht mehr viel übrig für Logo.