Fernkälte statt Klimaanlage: Die bessere Alternative?
28. August 2023Durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entsteht das Klimagas CO2 und dadurch steigt die Temperatur auf der Erde. An sehr heißen Tagen ist der Aufenthalt oft nur noch in gekühlten Räumen erträglich.
Dann brummen vielerorts Klimaanlagen an den Hausfassaden, doch sie heizen mit ihrer Abwärme die Städte zusätzlich auf. Zudem verbrauchen die Geräte sehr viel Strom sehr viel Strom, das kann die Netze überlasten und zu Blackouts führen.
Um diese Probleme anzugehen, setzen immer mehr Großstädte wie Paris, München, Hongkong, Singapur, Dubai oder Toronto auf große zentrale Kühlanlagen und pumpen dann kaltes Wasser durch Kältenetze aus. Vor allem Krankenhäuser, Hotels, Rechenzentren und große Gebäude werden so dort in den Innenstädten gekühlt.
Fernkälte: Effizienter als kleine Klimaanlagen
Die Technik der modernen Kälteerzeugung steckt in Kühlschränken, Klimaanlagen und Wärmepumpen.
Das Prinzip: In einem geschlossenen System wird ein Gas komprimiert und zur Flüssigkeit. Der Prozess setzt Wärme frei. Anschließend wird der Druck reduziert, die Flüssigkeit erwärmt sich wieder und wird gasförmig, dabei wird Wärmeenergie aus der Umgebung entzogen - es wird dort kalt.
Große Kühlanlagen können im Vergleich zu kleinen Anlagen durch verschiedene Maßnahmen Kälte umweltfreundlicher erzeugen.
Viele Stadtwerke nutzen zum Beispiel die natürliche Kälte aus Flüssen, Grundwasser, Seen oder dem Meer. Dann brauchen die Anlagen sehr viel weniger Energie. "Wir versuchen möglichst viel Grundwasser oder Stadtbäche zu nutzen als Hauptkältelieferant", sagt Stefan Dworschak von den Stadtwerken München.
Wie andere Fernkältenetze hat auch das in München einen Eisspeicher. Mit den großen Kältemaschinen wird dort Eis erzeugt, vor allem nachts, "wenn der Stromverbrauch in der Stadt gering ist, das entlastet das Stromnetz", erklärt Dworschak der DW. Die Kälte wird dann am Tag abgegeben, wenn der Bedarf an Kühlung in den Gebäuden hoch ist.
Mit Wärme kühlen: Absorptionskälte
Darüber hinaus lässt sich Kälte auch mit Wärme erzeugen. In Wien treibt zum Beispiel die Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage eine sogenannte Absorptionskältemaschine an. Auch München investiert in diese Technik, die Wärme dafür kommt ab Mitte 2024 aus über 1800 Meter Tiefe: Fernkühlung mit Tiefengeothermie.
Die Absorptionstechnik ist ebenfalls schon lange etabliert. Kühlschänke in Wohnmobilen funktionieren nach diesem Prinzip und erzeugen Kälte durch die Verbrennung von Propangas und brauchen so keinen Strom als Antriebsenergie.
Durch die intelligente Kombination verschiedener Techniken, natürlichen Kühlquellen und vorhandener Abwärme brauchen die zentralen Kühlanlagen oft weniger Strom. In München liegt die Ersparnis durch die zentrale Kühlung im Vergleich zur dezentralen bei "50 bis 70 Prozent", sagt Dworschak. Der Preis für Fernkälte liegt in München bei durchschnittlich 20 Cent pro Kilowattstunde.
Kombination von Kälte- und Wärmetechnik spart Energie
Fernkältenetze haben ebenso wie Fernwärmenetze auch Nachteile. Die Investitionskosten sind hoch, Rohre müssen im Untergrund der Stadt verlegt werden und das kostet mehrere hundert Tausend Euro pro Kilometer. Hinzu kommt noch der Anschluss an die Gebäude. Darüber hinaus geht Kühl- oder Wärmeenergie beim Transport durch lange Leitungen im Erdreich verloren. Diese Verluste sind besonders hoch, wenn das Wasser sehr kalt oder sehr heiß durch die Rohre fließt.
Hier gibt es laut Experten ein sehr großes Einsparpotential, wenn etwa kombinierte Kälte- und Wärmenetze verlegt werden, wie es in Europa zunehmend gemacht wird - auch im Münchener Stadtteil Moosach nahe des Olympiastadions.
Dort ist das städtische Rechenzentrum an ein Fernkältenetz angeschlossen, kühlt mit Kälte die Server und pumpt dann erwärmtes Wasser in die Rückleitung vom Kältenetz zurück. Einige hundert Meter entfernt wird dieses erwärmte Wasser für die Wärmepumpe in einem Wohnblock genutzt. Sie beheizt 114 Wohnungen und pumpt das abgekühlte Wasser dann wieder in das Kältenetz zurück. "Das ist eine gute Möglichkeit, die Effizienz noch zu steigern. Den Ausbau solcher Netze wollen wir auch deshalb weiter vorantreiben", so Dworschak.
Sinnvoll sind diese kombinierten Kälte- und Wärmenetze der sogenannten fünften Generation vor allem in gemäßigten Klimaregionen wie Deutschland. Vor Ort kann der Bedarf von Kälte und Wärme gut verzahnt werden, etwa wenn die Abwärme aus Kühlanlagen für Wärmepumpen genutzt wird.
Gebäudedämmung senkt den Kühlbedarf drastisch
Der wichtigste Faktor für eine effiziente Kühlung ist jedoch die Gebäudedämmung, sagt Wolfgang Hasper vom Passivhaus Institut in Darmstadt. Das unabhängige Forschungsinstitut berechnet den Energieverbrauch von Gebäuden, organisiert Tagungen und schult weltweit Architekten für eine energieeffiziente Planung.
Wenn Gebäude gute Fassaden- und Dachdämmungen haben, Fenster mit Doppel- oder Dreifachglas, gute Verschattung und eine intelligente Lüftung, "dann kommt die Wärme von außen nicht mehr rein", erklärt Hasper der DW.
Gut gedämmte Gebäude bräuchten dann heute sogar bis zu zehn Mal weniger Kühlenergie im Vergleich zu einem Gebäude mit sehr viel Glas, ohne Schatten und Dämmung. Zudem könnten auch gedämmte Wohnungen in den heißen Regionen mit dezentralen Klimaanalagen effizient ausgestattet werden und so viel Strom sparen, betont Hasper.
Dämmung sei eine gute Alternative zu Fernkältenetzen, denn Immobilienbesitzer könnten sie selber jederzeit umsetzen, ohne auf den Ausbau eines Fernkältenetzes in der Region zu warten. Und: Besonders in heißen Ländern seien Dämmung und Kältetechnik oft gut mit Photovoltaik zu kombinieren.
"Das Gute ist, dass gerade in diesen Ländern die Sonne kräftig scheint und Solaranlagen sehr viel Strom erzeugen können, dann, wenn der Strombedarf für Kühlung hoch ist", betont Hasper. "Das ist eine günstige Korrelation von Angebot und Nachfrage, es passt gut zusammen."