Feiern auf der Ferieninsel
1. März 2002Auf seinem schwarzen Pulli steht mit weißer Schrift "Für alles was Spaß macht – A.F.V.G.H.". Udo Harlichs, den auf Helgoland alle nur Charles nennen, ist Vorsitzender der "Allgemeinen-Feten-Veranstaltungs-Gesellschaft-Helgoland". A.F.V.G.H. eben. Vor zwölf Jahren entstand der Verein mit dem komplizierten Namen aus einer Bierlaune heraus. Inzwischen hat die AFVGH 150 ehrenamtliche Mitglieder und veranstaltet eine Ruderregatta, eine Sylvesterparty, Kinderfeste und Charles Lieblingsfete: das Open Air-Konzert. Auf der vorgelagerten Düne wo sonst gebadet wird, wollte Charles die Hamburger Band "Abstürzende Brieftauben" spielen lassen. Die Band war von der Idee sehr angetan, hatte aber offensichtlich ein etwas schiefes Bild von Helgoland. Die Musiker wollten am liebsten mit dem Tourbus an die Bühne fahren und loslegen. Charles musste ihnen erklären, das auf Helgoland außer der Feuerwehr kein Auto fahren darf, dass die Musiker also ihren Bus auf dem Festland stehen lassen und Schlagzeug und Gitarre mit dem Schiff auf die Insel bringen müssten.
Kein Ort zum Feiern
Mit wenigen Mitteln organisiert Charles die Feste auf Helgoland – baut mit den anderen Mitgliedern der A.F.V.G.H. Bühnen und Zelte selbst. Er ist 36 Jahre alt. Die Zeit des Wiederaufbaus der Insel kennt er nur aus Erzählungen. 1945, zum Ende des Zweiten Weltkrieges, nutzte Großbritannien die Hochseeinsel als Bombenabwurfplatz. Zwei Jahre später dann wollten die Briten die Insel endgültig versenken und zündeten 6700 Kilogramm Sprengstoff. Vergebens. Auf der Sandsteininsel stand zwar kein Stein mehr auf dem anderen, aber untergegangen war sie nicht. Am 1. März 1952 schließlich gab Großbritannien die Insel zurück. Hans Peter Riekmers, der bereits vom Festland aus die Geschicke Helgolands in die Hand genommen hatte, nahm die Insel entgegen. Eine große Feier gab es damals allerdings nicht, "Wo auch?", fragt Riekmers. "Kein Haus, keine Halle, keine Hütte – nichts stand mehr." Riekmers wurde der erste Helgoländer Bürgermeister und amtierte bis 1980. Dann gab es auf Helgoland wieder alles, was es auf anderen Ortschaften der Größe auch gibt - und noch einiges Meer.
In Zukunft alleine Feiern?
Charles und die A.F.V.G.H. veranstalten seit einigen Jahren eine Bootsregatta. 800 Menschen feiern dann rund um die Regatta. Aber immer weniger junge Helgoländer helfen bei der Vorbereitung mit und mittlerweile kann Charles nur noch auf 25 aktive Helfer bauen. Viele junge Helgoländer haben die Insel verlassen. 30 der 1567 Bewohner gehen jedes Jahr. Eine Rolle dabei spielt, dass es auf Helgoland kein Gymnasium gibt und auch die Ausbildungsstellen rar sind. Viele Berufe kann man überhaupt nicht lernen. Wer andererseits auf dem Festland eine Berufsausbildung gemacht hat, findet dann oft keinen entsprechenden Job auf der Insel. Noch immer dominieren Tourismus und biologische Forschung das Arbeitsleben auf Helgoland. Da ist nicht für jeden etwas dabei. Angelika Luckner, die Charles aus dem Schützenverein kennt, ist nach der Ausbildung zurückgekommen. Sie konnte bei der Touristik GmbH arbeiten. Viele ihrer Freundinnen aber, kommen nur dann auf die Insel, wenn der A.F.V.G.H eine Fete macht.
Der Bürgermeister Frank Botter hat erkannt, dass er sich etwas einfallen lassen muss, wenn er die jungen Leute auf der Insel halten will. "Wir müssen auch Phantasie haben, möglicherweise Arbeitsplätze anzubieten, die wir hier heute noch gar nicht kennen." Die Lage ist ernst. Aber sollte je auf der Insel mal niemand übrig bleiben, dann gibt es eben eine Grillfete zu zweit. Mit Blick auf die möwenumschwärmte "Lange Anna", den berühmten Roten Felsen, würde Charles und dem Bürgermeister da wohl auch nicht viel fehlen.