Ein letztes Wiedersehen
20. August 2018Sie symbolisieren die geballte Tragik der Teilung des Landes: die getrennten Familien, zerrissen während der Wirren des Koreakriegs (1950-53). Seit fast sieben Jahrzehnten leben sie in Nord- und Südkorea, getrennt von einem verminten und undurchdringlichen Grenzstreifen.
An diesem Montag jedoch haben einige von ihnen die Möglichkeit, ihre Verwandten ein einziges und wohl ein letztes Mal in ihrem Leben wiederzusehen. Denn wer einmal für eine Familienzusammenführung ausgewählt wurde, scheidet unwiderruflich aus dem Auswahlverfahren aus.
In einem Ferienressort im Diamantengebirge Nordkoreas, nur eine halbe Autostunde von der entmilitarisierten Zone entfernt, werden sie für drei Tage lang aufeinander treffen.
Politische Geisel
Noch immer ist praktisch jede Kommunikation zwischen den beiden Koreas untersagt. Seit den 2000er Jahren jedoch, als sich die Beziehungen zwischen den Staaten während der sogenannten Sonnenscheinpolitik verbesserten, fanden bislang über 20 Familienzusammenführungen statt.
Sie hingen dabei stets von der Willkür des nordkoreanischen Regimes ab, das die Treffen an politische Bedingungen knüpft. Allzu oft hat Pjöngjang den zivilen Austausch pausiert. Das letzte Treffen fand im Jahr 2015 statt. Während des innerkoreanischen Gipfeltreffens zwischen Südkoreas Staatschef Moon Jae In und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un einigten sich beide Seiten jedoch darauf, die Familienzusammenführungen nun wiederaufzunehmen.
Per Zufallsprinzip
Allein das Auswahlverfahren für die Treffen ist brutal. Ein Computer-Algorithmus wählt per Zufallsprinzip aus ursprünglich 130.000 Bewerbern, von denen die meisten jedoch längst verstorben sind. Nach einer ersten Runde bleiben rund 500 Kandidaten übrig.
Die nordkoreanischen Behörden forschen anschließend die Verwandten jenseits der Grenze aus. Am Ende wurden 190 Südkoreaner ausgewählt. Drei Tage lang haben sie Zeit, in einem Festsaal in der Hotelanlage - bei plärrender Volksmusik zwischen Sicherheitsbeamten und Fernsehteams - so etwas wie Intimität herzustellen.
Zwei Stunden unter vier Augen
Ein Gespräch unter vier Augen ist während des gesamten Aufenthalts nur für zwei Stunden erlaubt. Und die müssen dann für ein ganzes Leben reichen, falls die Wiedervereinigung zu ihren Lebzeiten nicht passieren sollte.
Dabei versterben jedes Jahr nach Angaben des Roten Kreuz rund 3600 Angehörige, also zehn Südkoreaner pro Tag, die nie ihre Heimat im Norden betreten konnten. In Nordkorea, wo die Menschen laut Amnesty International im Schnitt zwölf Jahre früher als jene im Süden sterben, dürften nur noch wenige Tausende Angehörige am Leben sein.
Wiedervereinigung unerwünscht
In Folge der innerkoreanischen Annäherung seit Beginn des Jahres hat sich die Einstellung der Südkoreaner gegenüber dem nördlichen Nachbarn grundlegend gewandelt. Laut einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks KBS antworteten 20 Prozent aller Befragten, Sympathien für Nordkorea zu hegen. Im Vorjahr war es nur ein knappes Zehntel.
Zugleich gaben nur 20 Prozent der Südkoreaner an, dass die koreanische Halbinsel wiedervereinigt gehöre. Noch nie lag dieser Wert so niedrig - besonders in der Altersgruppe der unter 29-Jährigen sinkt die Bereitschaft zur Wiedervereinigung rapide. Die Jugend Südkoreas nimmt den Norden vor allem als Ausland wahr und eine Wiedervereinigung als wirtschaftliche Last, wie Meinungsforscher glauben. Jene Generation, die sich noch an Korea als vereintes Land erinnern kann, ist praktisch am Aussterben.