Familienplanung à la China
28. Februar 2007Rund eine Million Menschenleben hat das Ereignis gekostet, das bis heute das Bild von Ruanda bestimmt: Der Genozid aus dem Jahr 1994 war nicht nur eine menschenunwürdige Katastrophe, sondern auch eine demografische. Sieben Millionen Einwohner zählte Ruanda nach dem Abschlachten zwischen Hutu und Tutsi noch.
Mittlerweile ist die Lücke wieder mehr als gefüllt. Denn nach dem Genozid ist die Wachstumsrate rasant angewachsen: Heute zählt Ruanda fast neun Millionen Einwohner. Nach Ansicht des Parlamentariers Sheik Abdul Karim steuert es geradewegs auf die nächste Katastrophe zu. "Wenn die Leute weiterhin so viele Kinder bekommen, haben wir bald keinen Platz mehr für diese Kinder. Wir können sie nicht unterrichten oder ärztlich versorgen. Die Situation wird sich immer weiter verschlimmern."
Starkes Bevölkerungs- versus schwaches Wirtschaftswachstum
Jetzt schon leben in Ruanda mehr als 330 Menschen auf der Fläche von einem Quadratkilometer. Zum Vergleich: Im kleinen Nachbarland Burundi liegt die Zahl der Einwohner pro Quadratkilometer bei 224, in Deutschland bei 230 und in der gesamten Europäischen Union bei 116.
Noch dazu hat Ruanda ein sehr geringes wirtschaftliches Wachstum. Die Landbevölkerung ist fast ausschließlich von Landwirtschaft abhängig, was wegen der immer kleineren Parzellierung zunehmend schwierig wird. Außerdem ist gerade auf dem Land die Geburtenrate besonders hoch.
Erster Schritt: Aufklärung
Das Bevölkerungsproblem ist unübersehbar in dem kleinen Ruanda, deshalb ist die Zustimmung für die neue Regierungsinitiative in der Bevölkerung groß: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, weil es hier im Land Eltern gibt, die viel zu viele Kinder haben - sechs, sieben oder gar acht. Und das, obwohl sie kein Geld und keine Arbeit haben", meint ein Mann. "Wenn man drei Kinder bekommt, die man zur Schule schicken kann, ist das besser, als viele zu bekommen, die dann später auf der Straße leben", ergänzt eine Frau.
Ein anderer ist skeptisch: "Die Einwohner müssten erstmal gut aufgeklärt werden über die Bedeutung von Familienplanung. So, wie die Regierung das jetzt angeht, glaube ich nicht, dass die Sache gelingt." Die Regierung sei sich bewusst, dass Aufklärung der erste Schritt sei, widerspricht der Parlamentarier Sheik Abdul Karim. Ein Gesetz sei noch in weiter Ferne. Zunächst ginge es darum, Familienplanung populärer zu machen. "Dieser Prozess hat schon angefangen. Kein Treffen - selbst wenn es dabei um Straßenbau geht - geht zu Ende, ohne dass das Thema Familienplanung angesprochen wurde. Und auch die Kirchen haben zugestimmt, die Bürger aufzuklären, bis wirklich jeder das Thema verstanden hat."
Auch die Kirche will mitmachen
Vor wenigen Tagen erst haben sich Regierungs- und Religionsvertreter in Kigali getroffen, um über Geburtenkontrolle und Familienplanung zu diskutieren. 90 Prozent der Ruandesen sind Christen. Die Bestimmung Gottes gilt für viele als heilig, in sie darf sich der Mensch ihrer Meinung nach nicht einmischen. Doch in diesem Falle müsse der Mensch sein Schicksal in die eigene Hand nehmen, sagt der katholische Bischof Kasani. "Gott hat uns schließlich ein Gehirn gegeben, damit wir erkennen, wie wir am besten leben können. Also stimmen wir der Regierung zu, Geburten zu kontrollieren und Kinder entsprechend unserer wirtschaftlichen Lage zu bekommen."
Traditionelle Methoden wären für diesen Zweck ebenso geeignet wie moderne, antwortet der Bischof etwas vage. Dafür gäbe es dann fachlichen Rat. Drei Kinder pro Familie, das soll die Obergrenze für die Zukunft sein. Allerdings soll das neue Gesetz keine Bestrafungen für diejenigen vorsehen, die mehr als drei Kinder bekommen. Stattdessen will die ruandische Regierung auf Anreize setzen für die Paare, die sich an die Vorgabe halten.