Fallon: "Brücke Europas in die USA"
18. Februar 2017Deutsche Welle: Sir Michael, Sie haben wiederholt betont, dass die NATO weiterhin Kern der neuen Verteidigungspolitik Großbritanniens ist. Welche Rolle spielt die aktuelle Debatte über die NATO - wie sehr beschädigt es die Stabilität der Allianz?
Sir Michael Fallon: Die Allianz muss jetzt zusammenstehen. Sie steht auf dem Prüfstand. Sie wird herausgefordert von Russland und vom Terrorismus im Nahen Osten. Es gab noch nie eine Zeit, in der die NATO und Europa wirklich zusammenstehen mussten. Und Großbritannien wird ein Teil davon sein. Wir führen die Very High Readiness Joint Task Force, die schnelle Eingreiftruppe der NATO in diesem Jahr. Wir haben Truppen nach Estland geschickt. Und wir schicken die britische Luftwaffe nach Rumänien zur Luftraumüberwachung. Wir werden auch weiterhin in der NATO eine Führungsrolle einnehmen, um der Allianz den Rückhalt zu geben, den sie braucht.
Hier wird viel darüber geredet, dass Bündnisse gestärkt werden müssen, dass ein Rückfall in Einflusssphären vermieden werden muss. Nun werden Sie ein sehr starkes Bündnis verlassen: die Europäische Union. Wie sehr werden Sie unter den Einfluss der USA gelangen?
Wir verlassen die politische Einheit der Europäischen Union. Aber wir verlassen nicht den Kontinent. Europa bleibt unser Kontinent und wir werden weiterhin zur Sicherheit des Kontinents beitragen. Und wir haben die transatlantische Partnerschaft. Unser ältester und stärkster Verbündeter sind die Vereinigten Staaten. Das ist ein sehr starkes Verteidigungsbündnis. Davon profitieren aus unserer Sicht beide Seiten. Unserer Meinung nach profitieren davon auch die USA, für die wir die Brücke zwischen Europa und Amerika sein werden. Aber auch die Allianz als Ganzes hat etwas davon, wenn Großbritannien diese Verbindung zu den USA hat.
Großbritannien war immer skeptisch gegenüber den Plänen der EU, eine eigene europäische Armee aufzustellen. Sie werden Ihre Verteidigung in Zukunft noch mehr an die NATO anbinden, noch mehr an Ihren US-amerikanischen Partner. Wie wird das funktionieren?
Verteidigung gehört in die NATO und nicht in die Europäische Union. Wir sind nicht die Einzigen, die die EU dazu bewegen wollen, nicht das zu kopieren, was die NATO macht. Die NATO ist unsere vorrangige Verteidigung. Beim jüngsten NATO-Gipfel haben wir vereinbart, dass die EU und die NATO enger zusammenarbeiten und Doppelstrukturen vermeiden müssen. Darum haben wir gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedern die Pläne für ein europäisches Hauptquartier oder eine europäische Armee abgelehnt. Wir brauchen so etwas nicht. Wir haben die NATO. Wir müssen dafür sorgen, dass die NATO allen dient.
"Europa hat eine politische Rolle - die NATO eine militärische"
Die EU wird ihre Pläne aber zweifellos auch ohne Großbritannien verfolgen. Werden Sie überhaupt als Akteur dabei auftreten?
Es war ja nicht nur Großbritannien, das darauf hingewiesen hat, dass wir keine unnötigen neuen Strukturen aufbauen sollten. Als wir das bei unserem Treffen in Bratislava im vergangenen September besprochen haben, waren viele andere europäische Staaten mit uns der Meinung, dass wir ja bereits die NATO haben. Wir brauchen keine EU-Armee. Wir brauchen kein EU-Hauptquartier. Die Bündnisse spielen unterschiedliche Rollen. Die EU hat eine politische Rolle. Sie kann zum Beispiel Sanktionen gegen Russland verhängen. Sie hat diplomatische Macht. Militärische Macht hat dagegen die NATO und es ist sehr wichtig, dass wir nicht zwei rivalisierende Organisationen haben.
Sir Michael Fallon ist Verteidigungsminister des Vereinigten Königreiches und Mitglied der Konservativen Partei (Tories).
Das Gespräch führte Michaela Küfner.